Polen

Die polnische Solidarität ist tot

Die liberal-konservative Regierung in Polen stemmt sich vehement gegen verbindliche Flüchtlingsquoten innerhalb der EU. Auch wenn das Land selbst soziale Probleme hat und die Parlamentswahlen im Oktober vor der Tür stehen: Polens Position ist ein Armutszeugnis für das Land der Solidarnosc-Bewegung, die vor 35 Jahren unter dem Leitspruch „Solidarität“ Geschichte schrieb.

Dabei geht es nicht um Solidarität mit Deutschland, das jetzt die meisten Flüchtlinge aufnimmt, aber selbst lange gegen eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in der EU war, als vor allem Griechenland und Italien dafür warben.. Vielmehr geht es um eine Solidarität, die aus der polnischen Geschichte und der christlichen Verwurzelung des Landes herrührt.


Nur pflichtschuldige Erklärungen

Hundertausende Polen waren während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie im Sozialismus selbst Flüchtlinge, als sie wegen der Grenzverschiebung nach dem Zweiten Weltkrieg aus der jetzigen Ukraine umgesiedelt wurden. Zudem müsste die katholische Kirche, die in Polen enormen Einfluss auf Regierung und Bürger hat, ihr Gewicht geltend machen. Es gibt zwar erste, an biblischen Vorgaben orientierte Aufrufe der Kirche zur Aufnahme von Flüchtlingen. Doch diese Erklärungen wirken eher pflichtschuldig als überzeugend. So wundert es nicht, dass die nach der Macht greifende erzkatholische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die liberale Regierung in der Flüchtlingsfrage noch unterbietet.

Dabei sehen viele Polen Flüchtlinge nicht nur negativ. Ein Drittel der Polen würde laut Umfragen Flüchtlinge bei sich in der Wohnung aufnehmen, gut die Hälfte sieht es sogar als moralische Pflicht des Landes, Asylsuchenden Schutz zu gewähren. Zugleich äußert ein Großteil der Polen, ähnlich wie ein Teil der Kirchenvertreter, Angst und Ablehnung gegenüber Muslimen. Vor allem darauf stützen die großen Parteien ihre starre Haltung.

In der Gesellschaft selbst ist die Solidarität trotz der Ängste also nicht gestorben. Sie wird aber im politischen Kleinklein kaputt getreten. Polen setzt damit seinen möglichen Beitrag zur Stärkung der kriselnden EU aufs Spiel. Und es schadet sich selbst: Polens homogene Gesellschaft muss sich dringend für Einwanderung öffnen, allein, um die massive Auswanderung von Fachkräften auszugleichen. Ein Mangel an echter Solidarität kann offenbar blind machen.


Weitere Artikel