Polen

Sie sind dann mal weg

Er war in aller Munde: Der polnische Migrant Zbiegniew Brzezinski bestimmte die amerikanische Außenpolitik entscheidend mit – in den Jahren 1977 bis 1981 war er immerhin Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten Jimmy Carter. Der Weg dorthin war im wahrsten Sinne des Wortes lang und führte über die tobende See. Brzezinski wurde im Jahr 1928 in der polnischen Hauptstadt Warschau geboren und verließ das Land bereits 1938.

Der damals zehnjährige Zbiegniew gehört zu den tausenden von Polen, die ihrem Land den Rücken gekehrt haben. Über ihre Beweggründe, ihre Biografien und die politischen Dimensionen des Themas Auswanderung informiert seit Mitte Mai das Emigrationsmuseum in Gdynia. Dafür ist der ehemalige „Meeresbahnhof“ mit Geld von der Europäischen Union umgebaut worden – ein Gebäude mit Geschichte: Es wurde in den 1930er Jahren speziell zur Abfertigung der Auswandererscharen im Bauhaus-Stil errichtet. Ein Prunk- und Protzbau. Wer als Pole sein Glück anderswo versuche, so der damalige Duktus, tue es nicht wegen wirtschaftlicher Sorgen. Vielmehr galten die Migranten als Botschafter ihres Landes.

Die Geschichte Polens ist von Migration geprägt. Nach der Westverschiebung am Ende des Zweiten Weltkriegs siedelten rund acht Millionen Menschen um oder wurden vertreiben. Mit dem EU-Beitritt 2004 wurde Polen zunehmend zum Transitland in Ost-West-Richtung. Vor allem spielt seitdem die Pendlermigration eine große Rolle. 20.000 bis 25.000 Polen wanderten laut Eurostat, dem Statistikamt der EU, von 1990 bis 2005 jährlich in andere EU-Staaten aus.


Der "Meeresbahnhof" mit dem Auswanderermuseum in Gdynia. Der einstige Startpunkt vieler polnischer Emigranten, heute legen hier auch große Kreuzfahrtschiffe an. / Foto: Stadt Gdynia


Anwerbung von Arbeitsmigranten

Der Höhepunkt war 2006 mit 47.000 Auswanderen erreicht. Sie zog es insbesondere nach Großbritannien. Die Anzahl der Polen, die sich länger als drei Monate im Ausland aufhielten, aber in der Heimat gemeldet waren, betrug im Jahr 2013 rund 2,2 Millionen. Davon waren wiederum 1,9 Millionen in den EU-Staaten unterwegs. Dauerhaft ausgewandert sind im Jahr 2013 laut Eurostat rund 280.000 Polen. Ursachen dafür sind niedrige Löhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, sowie die hohe Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent.

Die polnische Regierung versucht dieser Entwicklung entgegenzusteuern und hat im Dezember 2014 ein Strategiepapier verabschiedet. Dabei stehen die gezielte Anwerbung ausländischer Studierender sowie Arbeitsmigranten mit gefragten Berufen im Fokus. Und: Bereits seit 1. Mai vergangenen Jahres ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für Ausländer leichter. Damit hat sich Polen an seine Nachbarn wie Deutschland angepasst.

Aktuell gewinnt das Thema Migration auch durch den Konflikt in der Ost-Ukraine große innenpolitische Bedeutung. Laut polnischen Statistiken haben im Vorjahr mehr als 2.300 Ukrainer Asylanträge in Polen eingereicht – 2013 waren es lediglich 50. Asyl finden die Menschen indes in der Regel nicht. Die polnischen Behörden argumentieren, dass die Menschen aus dem Donbass im eigenen Land Sicherheit finden könnten.

Aus welchen Gründen es auch geschehen mag – das Auswandern ist in den meisten Fällen mit Seelenschmerz verbunden. Davon können sich die Besucher des Emigrationsmuseums in Gdynia selbst ein Bild machen: Viele Auswanderer haben dem Museum Persönliches gestiftet. Tomasz Rawenda ist einer von ihnen. Er ging als junger Mann nach Deutschland. In der Ausstellung ist jetzt der erste Brief zu sehen, den er an seine Mutter und seinen Vater schrieb. Er beginnt mit den Worten „Liebe Eltern“. Der junge Tomasz lässt sie wissen, dass er für immer in Deutschland bleiben würde.


  Zeitgeschichte wird im Auswanderermuseum auch digital erzählt. Im Juni 2015 eröffnete in der Hafenstadt das erste Auswanderermuseum in Polen. / Foto: Auswanderermuseum Gdynia


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