Almaty will die Winterspiele
Es ist kein Zufall, dass Andrej Krjukow ins Hotel Ritz Carlton zum Gespräch lädt. Von der Terrasse des Glas-Giganten im Zentrum Almatys hat man einen fantastischen Blick auf die Skisprungschanze im Alatau-Gebirge. „Das ist eine der Austragungsstätten für die Winterspiele. Quasi mitten in der Stadt“, sagt Krjukow, Vize-Präsident des kasachischen Bewerbungskomitees für die Olympischen Winterspiele 2022. „Das ist die Stärke unserer Bewerbung.“ Krjukow hat seine Rolle verinnerlicht. Egal, welche Frage man ihm stellt, er rattert die Vorteile seiner Stadt im Rennen um die Winterspiele wie auf Knopfdruck herunter.
Almatys Chancen, die Winterspiele zu bekommen, stehen nicht schlecht, doch die Bewerbung ist alles andere als ein Selbstläufer. Punkten kann die 1,6-Millionen-Stadt auf jeden Fall mit der Unterstützung der Bevölkerung. Städte wie München, Oslo oder Krakau hatten ihre Bewerbung zurückgezogen, nachdem die Einwohner in einem Referendum gegen die Spiele gestimmt hatten. In Kasachstan hat man sich diesen Schritt gespart, aber hört man sich auf den Straßen um, begrüßen die meisten Einwohner die Idee von Olympia in ihrer Stadt.
Der Umweltaktivist Rawil Nasirow gehört nicht dazu. Er ist Teil der Gesellschaft „Grüne Rettung“ und fährt mit seinem Team jede Woche durch die Nationalparks rund um Almaty, um die Veränderungen der Natur zu dokumentieren. Nasirow baut seine Kamera auf und filmt den türkisblauen See, auf dessen Wasseroberfläche sich die Bergkette im Hintergrund spiegelt. „Wunderschön. Und das wollen sie nun zerstören.“ Mit „die“ meint Nasirow Menschen wie Andrej Krjukow – die Unterstützer der Olympia-Bewerbung also. „Wir haben gesehen, was mit dem Skigebiet Shymbulak passiert ist, als dort vor vier Jahren die Asia-Spiele stattgefunden haben. Damals hat man viel Schaden an der Natur angerichtet.“ Bäume wurden gefällt, Hänge gerodet. Das wollten Nasirow und seine Kollegen diesmal verhindern.
Einziger Konkurrent: Peking
Sie schickten ein Schreiben an das Internationale Olympische Komitee (IOC), Vertreter der „Grünen Rettung“ trafen sich zudem mit dem Evaluationskomitee des IOC Anfang des Jahres. Nach dem Besuch wurde beschlossen, den Nationalpark Kok Zheljau aus der Bewerbung zu nehmen und damit unberührt zu lassen. Auch auf den Skipisten von Shymbulak sollen keine Wettkämpfe stattfinden. Nasirow und seine Leute hätten gerne erreicht, dass das IOC Almaty komplett aus dem Rennen ausschließt. Dann wären die Spiele automatisch an den einzigen Mitbewerber Peking gegangen. Doch Nasirow ist realistisch. „Wir sind ja nicht gegen die olympische Idee. Wir sagen nur, dass Kasachstan nicht bereit dafür ist.“
Almaty hat zwar eine lange Wintersport-Tradition. Die muss sich Peking erst noch erschaffen – und das wird teuer. Doch Peking hat bereits einmal Olympische Spiele ausgerichtet, das IOC weiß, worauf es sich einlässt. Auch in politischer Hinsicht. China und Kasachstan sind beide keine demokratischen Musterknaben.
Nursultan Nasarbajew beherrscht das zentralasiatische Kasachstan schon seit 1990. Um ihn schart sich eine Clique von Oligarchen, die vor allem auf eines bedacht sind: auf den eigenen Reichtum. Doch Nasarbajew geht es schon lange nicht mehr nur ums Geld. Was ihm zum Glück fehlt ist internationales Ansehen. Olympische Spiele passen da gut ins Konzept. Die Welt zu Gast in Kasachstan.
Doch genau daran könnte die Bewerbung Almatys scheitern. Denn ein Großteil der Welt weiß nicht einmal, wo Kasachstan liegt. Und so fällt die Entscheidung am 31. Juli allein auf der Grundlage von Almatys Bewerbungspräsentation und der Überzeugungsarbeit von Menschen wie Andrej Krjukow. Zumindest der ist sicher: „Wir haben das Maximum aus der Bewerbung herausgeholt.“
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Quellen:
Brief der Gesellschaft „Grüne Rettung“ an das IOC
Offizielle Homepage des kasachischen Bewerbungskomitees