Rumänien

Niemand ist mehr unantastbar

In Rumänien geht seit einiger Zeit Verblüffendes vor sich: Das Land hat sich zu einem der Vorreiter des Kampfes gegen Korruption in Mittel- und Südosteuropa entwickelt, immer mehr Nachbarländer wollen das Modell übernehmen. Inzwischen werden seit Monaten fast täglich Politiker, Beamte und Geschäftsleute vor laufenden Kameras zu Verhören abgeführt, sitzen einst Unberührbare in U-Haft oder stehen unter Hausarrest – egal ob sie zum Regierungslager oder zur Opposition gehören.

Dass die Ermittler buchstäblich vor niemanden mehr Halt machen, bekam dieser Tage kein Geringerer als Victor Ponta zu spüren, Rumäniens Ministerpräsident und Chef der wendekommunistischen Sozialdemokratischen Partei (PSD) – einer Partei, die in Rumänien seit vielen Jahren der Inbegriff für Korruption ist. Die Anti-Korruptionsanwaltschaft (DNA) ermittelt gegen Ponta wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung, ein Teil von Pontas Vermögen wurde diese Woche vorläufig beschlagnahmt.

Zwar kann sich der Regierungschef hinter seiner parlamentarischen Immunität verschanzen und so eine Anklage und ein Gerichtsverfahren noch eine Zeit lang vermeiden. Aber eines spürt die Öffentlichkeit längst: In Rumänien stehen Politiker, Beamte und reiche Geschäftsleute immer weniger über dem Gesetz, niemand ist mehr unantastbar. Darauf haben viele Menschen im Land Jahrzehnte gewartet.


Ermittlungen gegen Ministerpräsident Ponta

Die Wurzeln dieser überraschenden Entwicklung reichen bereits länger zurück. Unter allen früheren osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten galt Rumänien einst als das korrupteste Land. Bevor es 2007 der EU beitreten konnte, musste es ein ambitiöses Programm für den Kampf gegen Korruption vorlegen. Der frühere Staatspräsident Traian Basescu, der von 2004 bis 2014 amtierte, schuf gegen große Widerstände der Elite die Grundlagen dafür: Er unterstützte ab 2005 eine umfassende Justizreform, förderte entschlossene, unbestechliche Beamte und trieb den Auf- und Ausbau von Anti-Korruptionsinstitutionen mit voran. Auf diese Weise wurde es möglich, dass erstmals auch ganz offensichtlich korrupte hochrangige Politiker wie der Ex-Regierungschef Adrian Nastase angeklagt werden konnten und später ins Gefängnis mussten.

Zugleich jedoch hatte der Kampf gegen Korruption lange Zeit auch einen politischen Beigeschmack: So etwa wurden Ermittlungen gegen manche politische Schützlinge des Staatspräsidenten Traian Basescu oder verschiedener Regierungen verschleppt. Immer wieder diente auch die gesetzwidrige Veröffentlichung von Ermittlungsakten oder Abhörprotokollen, die den Medien zugespielt wurden, als Waffe im politischen Wettstreit.

Doch in den letzten Jahren entwickelte der Kampf gegen Korruption eine zunehmende Eigendynamik, die Anti-Korruptionsinstitutionen konnten sich von politischer Einflussnahme immer mehr befreien, darunter vor allem die Anti-Korruptionsanwaltschaft DNA, die seit 2013 von der ehemaligen Generalstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi geleitet wird. Seit ihrem Amtsantritt ist die Zahl der Verfahren gegen korrupte Politiker wie auch der Verurteilungen auf Rekordwerte gestiegen. Zahlreiche illegal erworbene Vermögen wurden beschlagnahmt, zugleich wuchs das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz, die DNA zählt zu den besonders glaubwürdigen Institutionen.


Unterstützung vom Staatspräsidenten

Die Wahl des ehemaligen Bürgermeisters von Hermannstadt Klaus Johannis zum rumänischen Staatspräsidenten im November letzten Jahres gab dem Kampf gegen Korruption noch einmal einen zusätzlichen Impuls: Johannis gilt als einer der wenigen tatsächlich unbestechlichen Politiker Rumäniens, er erklärte den Kampf gegen die Korruption zu seiner Priorität. Damit dürfte er die Justiz und vor allem die Anti-Korruptionsbehörden deutlich bestärkt haben.

Wie unbeirrbar ein beträchtlicher Teil der rumänischen Justiz inzwischen agiert, ist auch an der Reaktion der politischen Elite abzulesen. Seitdem in den letzten Monaten gegen immer mehr Politiker und hochrangige Beamte ermittelt wird, empören sich Vertreter aller Parteien darüber, dass die DNA eine Art Inquisition und Rumänien unter ihrer Ägide unregierbar geworden sei. Selbst dem Ex-Staatschef Traian Basescu wird es nun zuviel: Er wettert gegen die „unreife Justiz“ und gegen die „Schwächung des Staates durch Staatsanwälte und Richter“. Kein Wunder: Im Februar dieses Jahres wurde seine engste politische Vertraute verhaftet, die ehemalige Tourismusministerin Elena Udrea, die seit Jahren unter Korruptionsverdacht steht – aber bisher unantastbar schien.


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