Europäische Union

Chinas langer Arm in Osteuropa

ostpol: Du hast mit Deinen Kollegen Marijana Miljkovic und André Kühnlenz auf den Spuren chinesischer Investoren in Osteuropa recherchiert und ein Dossier dazu im österreichischen WirtschaftsBlatt veröffentlicht. Welche Rolle spielen chinesische Geldgeber in der Region?   

Eva Konzett
Eva Konzett / Foto: Elke Mayr

Eva Konzett: Man sieht sie jedenfalls immer öfter. Wenn ich in irgendeiner osteuropäischen Hauptstadt am Flughafen ankomme, stehen dort Chauffeure mit chinesischen Namensschildern, um die Manager aus dem Reich der Mitte abzuholen. Das kenne ich so seit zwei Jahren. Es gibt aber Unterschiede: In Tschechien sind die Chinesen weniger präsent als z.B. in Bosnien und Herzegowina.


Woran liegt das?

Konzett: Das hängt damit zusammen, dass Tschechien als EU-Mitglied Anspruch auf Gelder aus Brüssel hat, Bosnien aber noch nicht. Ich würde es so sagen: Die Chinese spielen in den jungen EU-Staaten über all dort die Rolle eines Lückenfüllers, wo westliche Banken nicht mehr finanzieren wollen und können. Auf dem Westbalkan dagegen sind sie oft die einzigen Investoren. Der Bedarf ist immens, zu den Fördertöpfen haben aber nur EU-Mitglieder Zugang und westliche Institutionen wie die Weltbank können nur punktuell unterstützen.


Welchen Vorteil bieten die Geldgeber aus China?

Konzett: Weil chinesische Firmen mächtige Staatsfonds im Rücken haben, können sie mehr riskieren als beispielsweise eine westliche Geschäftsbank. Hinzu kommt: Vor allem seit der Wirtschaftskrise agieren die westlichen Banken eher „risikoavers“, wie sie es nennen. De facto werden kaum mehr Kredite vergeben.



Die Chinesen investieren vor allem in Infrastruktur, also in Straßen, Bahnstrecken, Flughäfen. Mit welchem Ziel?

Konzett: Das verstärkte Engagement in Osteuropa ist Teil der chinesischen Außenpolitik, die Seidenstraße wiederzubeleben. Auf diesem Weg möchte Peking chinesische Waren künftig schneller nach Westeuropa transportieren. Die Waren müssen durch Osteuropa durch, und da fehlt die Infrastruktur. Langfristig will China in Osteuropa sogar eigene Industriestandorte aufbauen. Von dort können Waren fast ohne Transportkosten in den Westen exportiert werden.


Grafik: Cmund/WirtschaftsBlatt

Wie erfolgreich sind die Chinesen dabei?

Konzett: Momentan läuft noch viel auf der rhetorischen Ebene. Zahllose Wirtschaftsdelegationen ziehen durch die Länder, von Bürgermeisteramt zu Bürgermeisteramt. Gerade in den EU-Staaten Osteuropas müssen sie sich erst an das strenge Vergaberecht gewöhnen, holen sich aber westliche Berater an Bord. Vor allem bei unbeliebten und aufwändigen Projekten geben sie dann Geld, z.B. beim Bau eines Atomkraftwerks in Rumänien oder einer Eisenbahnstrecke von Serbien nach Griechenland.


Wie sieht die EU die wachsende Konkurrenz aus dem Fernen Osten?

Konzett: Brüsseler Diplomaten haben zunächst mit großer Skepsis reagiert. Bislang war Osteuropa ja das Hinterland für westliche Investoren. Doch mittlerweile hat die EU erkannt, dass sie den großen Bedarf an Geld für Straßen und anderen Infrastrukturprojekte nicht mehr decken kann und es wohl ohne die Chinesen nicht geht. Die boomenden 2000-er Jahre, die die Länder Osteuropas einen großen Schritt nach vorne gebracht haben, werden nicht wiederkommen.


Und wie reagieren westliche Firmen auf die Kokurrenz aus China?

Konzett: Die sogenannte Ostfantasie, die deutsche und österreichische Unternehmen in Richtung Osteuropa getrieben hat, ist einer realistischeren Perspektive auf die Region gewichen. Zudem finanzieren die Banken, wie gesagt, die Projekte nicht mehr. Und nicht zuletzt lahmt die Weltkonjunktur zu sehr, um große Impulse freizusetzen. Das ändert aber nichts daran, dass eine Modernisierung notwendig ist. Die Länder werden also denjenigen willkommen heißen, der diese bringt.


Ist der Osten Europas in fünf Jahren also in chinesischer Hand?

Konzett: Das glaube ich nicht. Die chinesischen Investoren treten sehr selbstbewusst auf, das stimmt. Sie sind zudem von einer außenpolitische Vision getrieben und nicht von der Rendite. Das kann sie aber auch schwächen: Als z.B. Polen 2008 offiziell den Dalai Lama empfing, pfiff die Regierung Chinas alle Delegationen auf dem Weg nach Polen zurück. Viele haben außerdem Angst vor chinesischen Billigstpreisen, gegen die sie bei öffentlichen Ausschreibungen nicht konkurrieren können. Brüssel macht einen Schritt in die richtige Richtung, wenn es nun bald das sogenannte „Billigstbieterprinzip“ abschafft und durch das Bestbieterprinzip ersetzt. Projekte mit Phantasiepreisen wie die Autobahn von Lodz nach Warschau werden damit unmöglich, deren Bau auf halber Strecke gestoppt wurde, weil die chinesische Firma die Bauarbeiter nicht mehr zahlen konnte.


Und wie sieht es in den Ländern aus, die noch nicht in der EU sind?

Konzett: Dort ist die Entwicklung dramatischer, vor allem auf dem Westbalkan. Auf 110 Milliarden Euro wird die Investitionssumme geschätzt, um die Infrastruktur dort auf Vordermann zu bringen. Das kann Brüssel nicht leisten, das ohnehin in der Vorbeitrittsphase Mittel eher für den Aufbau von Rechtstaatlichkeit und Zivilgesellschaft locker macht. Die EU wird sich aber überlegen müssen, mit welchen Perspektiven sie auf dem Westbalkan arbeitet. Sonst wird das Einflussvakuum von jemand anderem ausgefüllt. Allerdings, und das wird oft vergessen: In Osteuropa bauen die chinesischen Investoren Infrastruktur. Im Westen, vor allem in Deutschland, kaufen sie sich in Unternehmen ein. In letzterem Fall ist der Einflusshebel größer.

Info:

Vorerst zehn Milliarden Euro wirft Peking für die verstärkte Zusammenarbeit mit den Ländern Mittel- und Osteuropas in den Topf. Auch der Westbalkan soll profitieren. Dafür gründeten der europäische Block und China 2012 die Plattform 16+1. Und 2014 feiern Chinesen und Serben den ersten Projektabschluss beim winterlichen Forum der Teilnehmerländer in Belgrad – eine Brücke über den Fluss Save.

Osteuropa als strategisches Puzzleteil von Chinas Außen- und Wirtschaftspolitik: Webreportage von Eva Konzett und ihren Kollegen im österreichischen Wirtschaftsblatt.


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