Slowakei

Die neuen Zeitungsmacher

Als Matus Kostolny, Chefredakteur der meinungsführenden Zeitung Sme, im Herbst erfuhr, dass der Penta-Konzern sein Blatt zur Hälfte übernommen hatte, gab es für ihn nicht viel zu überlegen. Nach 20 Jahren bei Sme reichte der 39-Jährige kurz entschlossen seine Kündigung ein. Gemeinsam mit Kostolny ging die Hälfte der 100-köpfigen Sme-Redaktion. 

Die Übernahme des Verlags bedeutete für die Redakteure weit mehr als einen gewöhnlichen Geschäftsvorgang. „Penta ist seit der sogenannten Gorilla-Affäre das Symbol der Korruption schlechthin. Ein Symbol dafür, wie reiche Firmen sich die Macht im Staat erkaufen“, erklärt Matus Kostolny.

Sme-Redakteure hatten Ende 2011 die massiven Bestechungen slowakischer Politiker durch den Penta-Konzern aufgedeckt und dadurch die größten Massenproteste in der Slowakei seit 1989 ausgelöst. Dass jetzt ausgerechnet Sme mehrheitlich in den Besitz von Penta übergeht, ist für Kostolny untragbar: „Mit so einer Firma eine Zeitung zu machen, ist in meinen Augen nur zu dem Preis möglich, dass die Zeitung Teil des Businessplans wird.“

Kostolny und seine Kollegen nahmen daher den Sprung in die berufliche Ungewissheit in Kauf. Ohne finanzielle Absicherung, aber mit einer klaren Vision im Kopf: Sie wollten eine eigene, unabhängige Zeitung gründen. Innerhalb weniger Wochen stellten sie ihren neuen „Dennik N“ („unabhängige Tageszeitung“) online.

Seit Ende Januar erscheint das Blatt auch als Print-Ausgabe. Die Redaktion besteht aus 40 Redakteuren, mit zwei Ausnahmen alles frühere Kollegen von Sme. „Es ist ein kleines Wunder, dass es uns gelungen ist, „N“ zu gründen“, sagt Matus Kostolny in seiner neuen hellen Großraumredaktion. „Viele haben uns für verrückt erklärt, weil es in der heutigen Zeit allen Trends entgegenläuft“.


Debatte über ethische Grenzen

Das Projekt „Dennik N“ hat in der Slowakei eine Debatte darüber ausgelöst, welche ethischen Grenzen es für das Engagement finanzstarker Firmen in Medien gibt. Nicht alle Sme-Redakeure hielten den Einstieg von Penta für so bedrohlich wie Matus Kostolny und seine Mitstreiter. „Der Kampf um journalistische Unabhängigkeit lässt sich auch von innen heraus führen“, schrieb etwa der kanadische Journalist Tom Nicholson, der zum Symbol für die Aufdeckung der „Gorilla-Affäre“ geworden war, und heute weiter bei Sme arbeitet.

Matus Kostolny schwebt indes eine neue Art von Journalismus vor. Er verstehe „Dennik N“ nicht nur als eine weitere klassische Tageszeitung. „Das scheint uns im Jahr 2015, wo alle Nachrichten direkt im Internet zu sehen sind, überflüssig. Wir probieren, eigene Themen zu setzen, Analysen zu bringen, Zusammenhänge aufzudecken.“

In dem Fünf-Millionen-Land Slowakei gab es bislang neben Sme nur zwei weitere Qualitätszeitungen. Mit „Dennik N“ ist jetzt eine dritte hinzugekommen. Der Bedarf an meinungsbildenden Blättern sei in er Slowakei groß, das hätte die Unterstützung durch die Leser gezeigt, so Kostolny: „Viele Leser haben die Print-Version von Dennik N bereits abonniert, bevor sie erstmals erschienen war. So hatten wir Geld, um das Print-Projekt in Gang zu bringen“.


Breite Unterstützung

Die Finanzierung des „Projekts N“ gewährleisten neben den gegenwärtig 9.000 Abonnenten sechs Investoren der Software-Firma ESET. Sie haben – als Privatpersonen – insgesamt 1,2 Millionen Euro in das Blatt investiert und halten 51 Prozent der Aktien. Der Rest liegt in den Händen der Redaktion. „Wir betrachten unser Engagement bei DennikN als Förderung des unabhängigen Journalismus in der Slowakei und als gemeinnützige Tätigkeit“, so Anton Zajac, einer der Investoren. „Wir werden in die Arbeit der Redaktion nicht eingreifen.“

Ideell wird das Projekt „Dennik N“ von einem breiten Spektrum renommierter Persönlichkeiten unterstützt. So konnten die Zeitungsgründer etwa den Soziologen und Diplomaten Martin Butora für ihren Redaktionsrat gewinnen oder Martin M. Simecka, einen früheren Chefredakteur von Sme. „Es gibt in der Slowakei immer noch eine relativ große Gruppe von Zeitungslesern, die sich gerne eine Print-Ausgabe kaufen“, beobachtet Matus Kostolny. „Warum sollten wir also nicht versuchen, diese Gruppe zu erreichen?“

So ist das „Projekt N“ nicht nur eine Kampfansage an die Instrumentalisierung von Medien durch mächtige Finanzgruppen. Sondern, in einer Zeit des weltweiten Zeitungssterbens, auch ein Plädoyer für das Medium Print.


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