Polen

Streit um Feiern zum Kriegsende

Nach einem diplomatischen Disput vor rund zwei Wochen zur Rolle Russlands bei der Auschwitz-Befreiung hat Polen erneut russische Politiker gegen sich aufgebracht. Diesmal geht es um die Feiern zum Endes des Zweiten Weltkriegs, das sich zum 70. Mal jährt. Die zentralen Gedenkfeiern finden traditionell am 9. Mai in Moskau statt. Nun aber hat Polens Präsident Bronislaw Komorowski angeregt, dem Kriegsende auch am 8. Mai zu gedenken – und dies an der Westerplatte, jener Halbinsel bei Danzig, auf der die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs fielen.   

Der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna hat Komorowskis Idee sofort aufgegriffen. Es sei zwar „nicht natürlich“, das Ende des Weltkriegs am Ort seines Beginns zu feiern. „Aber warum haben wir uns so einfach daran gewöhnt, dass Moskau der Ort ist, an dem man der Beendigung der Kriegshandlungen gedenkt, und nicht etwa London oder Berlin, was noch natürlicher wäre“, sagte er in einem Radiointerview.

 Die russische Reaktion kam prompt. Schetynas Äußerung sei der nächste ungeschickte Versuch eines polnischen Politikers, die Rolle der UdSSR als Sieger im Großen Vaterländischen Krieg infrage zu stellen, sagte Vize-Außenminister Grigorij Karasin gegenüber russischen Medien. „Schetyna hat Schande nicht nur über sich, sondern auch über den gesamten diplomatischen Dienst und die politische Kultur Polens gebracht“, so Karasin.


Gedenken von Ukraine-Konflikt überschattet

 Konkrete Pläne für die Feiern am 8. Mai und eine parallel avisierte Konferenz stehen in Polen noch nicht fest, die Verantwortlichen in Danzig haben bislang keine Vorgaben erhalten. Doch bereits jetzt ist aus dem Umfeld von Präsident Komorowski zu hören, dass es auf Seiten westlicher Staaten Interesse gäbe, Moskau am 9. Mai vor dem Hintergrund der eskalierenden Kämpfe in der Ostukraine zu meiden. Die Rückmeldung sei vielversprechend, sagte Roman Kuzniar, der außenpolitische Berater Komorowskis, gegenüber der Tageszeitung „Rzeczpospolita“.

Tatsächlich dürfte das Gedenken zum Ende des Zweiten Weltkriegs von der aktuellen Situation in der Ostukraine überschattet werden. Bislang gibt es keine Informationen, dass westliche Spitzenpolitiker am 9. Mai bei der Militärparade auf dem Roten Platz dabei sein werden. Ginge es nach Dieter Bingen, Politikwissenschaftler und Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, sollten westliche Staats- und Regierungschefs sich für den 9. Mai noch nicht festlegen. „Wenn sie es aber für richtig halten, nach Moskau zu reisen, dann nur, wenn der ukrainische Präsident Poroschenko ebenfalls eingeladen wird“, sagt Bingen. Den ehemaligen Alliierten und Befreiten sollte bei den Feiern ferner Rederecht erteilt werden.

Bislang haben nur wenige Staats- und Regierungschefs ihre Teilnahme an den Gedenkfeiern in Moskau bestätigt, darunter meist Politiker postsowjetischer Republiken. Polens Präsident Komorowski wird definitiv nicht dabei sein, er hat nach Angaben eines Beraters keine Einladung erhalten. Doch dürfte der scharfe Putin-Kritiker ohnehin nicht nach Moskau reisen wollen. In Polen stehen am 10. Mai Präsidentschaftswahlen an.


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