Ungarn

Merkel zu Besuch in Ungarn

Ungarn ist seit Jahren das politische Sorgenkind der Europäischen Union. Der Regierungschef Viktor Orban hat das Land im Widerspruch zu vielen Grundwerten der EU umgestaltet. Seitdem haben sich die Beziehungen zwischen Ungarn und der EU stetig verschlechtert – darunter auch die zu Deutschland, Ungarns wichtigstem wirtschaftlichem Partner.

Am Montag reist Kanzlerin Angela Merkel das erste Mal seit Orbans machtantritt 2010 zu einem Kurzbesuch nach Budapest. Während ihres fünfstündigen Aufenthaltes trifft sie den ungarischen Regierungschef, außerdem den Staatspräsidenten Janos Ader, Vertreter der Jüdischen Gemeinde sowie Studenten. Laut der knappen Mitteilung des Bundespresseamtes werden Merkel und Orban „bilaterale und europapolitische Themen, aktuelle Entwicklungen in Ungarn sowie die Lage in der Ukraine erörtern“.

Auch der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs ist nicht viel expliziter: „Deutschland ist Ungarns wichtigster strategischer Partner“, so Kovacs. „Die derzeitige Änderung der geopolitischen Lage, die Lage in der Ukraine, aber auch die Energiepolitik und die engen deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen sind Faktoren, die aus sich selbst heraus für den Besuch der Bundeskanzlerin in Budapest sprechen“, sagte er.


Besuch als Test

Bei dem Treffen mit Orban wird vermutlich das Thema Pressefreiheit und der „Fall RTL“ zur Sprache kommen. Letztes Jahr hatte die Regierung eine Steuer auf Werbeeinnahmen eingeführt, die vor allem den quotenstärksten Fernsehsender RTL trifft. Der ist seitdem abrupt von einer unpolitischen auf eine stark regierungskritische Linie umgeschwenkt. Nun erwägt die Orban-Regierung die Werbesteuer für RTL zu senken. Derzeit verhandelt Orbans mächtiger Kanzleichef Janos Lazar darüber mit der Luxemburger RTL-Führung.

Auch Orbans jüngste xenophobe Ausfälle werden möglicherweise Thema: Der ungarische Regierungschef hatte nach den Anschlägen von Paris gesagt, Europa müsse die Einwanderung von Menschen aus fremden Kulturen stoppen. Sein eigenes Land solle auf jeden Fall den Ungarn vorbehalten bleiben.

Tatsächlich dürfte Merkels Besuch in Budapest jedoch vor allem mit dem Krieg in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland zusammenhängen, sagen Beobachter. Ungarn hat den EU-Sanktionen gegen Russland bisher zähneknirschend zugestimmt, nicht jedoch ohne zu betonen, dass es entschieden gegen selbige sei. „Merkels Besuch in Budapest ist daher eine Art Test“, sagt der ehemalige Diplomat und Außenpolitik-Experte Attila Ara-Kovacs. „Die Bundeskanzlerin will sondieren, wie weit Orban geht und ob sie ihn im Zaum halten kann.“


Ungarns Öffnung nach Osten

Dabei geht es nicht nur um die in der EU hochstrittige Sanktionsfrage, sondern generell um Ungarns „Politik der Öffnung nach Osten“. Orban strebt seit längerem intensivere Beziehungen zu Russland, China sowie Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan an, um Ungarns wirtschaftliche Abhängigkeit von der EU zu verringern.

Russland spielt in dieser Politik die Schlüsselrolle: Mit Putin vereinbarte Orban bei einem Besuch in Moskau vor einem Jahr einen Zehn-Milliarden-Euro-Kredit zur Erweiterung des Atomkraftwerkes in Paks südlich von Budapest. Vor kurzem plädierte Orban dafür, dass sich Nicht-Regierungsorganisationen, die in Ungarn tätig sind und Geld aus dem Ausland erhalten, speziell registrieren lassen müssen – ähnlich wie in Russland. So mutet es zumindest wie ein außenpolitisches Pokerspiel an, wenn nur zwei Wochen nach der Bundeskanzlerin, am 17. Februar, der russische Staatspräsident Wladimir Putin nach Budapest kommt.


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