Ungarn

Viktor Orban: Putins Agent in der EU?

Er lobt Wladimir Putin als „erfolgreichen Staatsmann“. Er schließt mit russischen Firmen Milliardenverträge ab und bedrängt nach russischem Muster in seinem eigenen Land Aktivisten der Zivilgesellschaft: Der ungarische Regierungschef Viktor Orban, der noch vor einigen Jahren mit äußerst undiplomatischen, ja sogar abfälligen Sprüchen über Putin auffiel, spricht inzwischen von einer „strategischen Partnerschaft“ zwischen Ungarn und Russland.

Viele staatstreue russische Medien berichten deshalb mit Wohlwollen über Orban. In westlichen Medien hingegen trägt Orban inzwischen Spitznamen wie „Putins kleiner Bruder“. Manche Beobachter wie der frühere liberale Diplomat und oppositionelle Budapester Außenpolitik-Experte Attila Ara-Kovacs sehen ihn als „Agenten Putins in der EU“. Andere halten das für übertrieben. „Orban ist nicht wirklich ein Putin-Anhänger“, sagt der Budapester Soziologe Pal Tamas, „er und seine Partei fühlen sich wohl in der EU, denn sie bietet ja viele finanzielle Annehmlichkeiten.“


Das Ziel: Neue Finanzquellen im Osten

Fest steht: Schon seit längerem suchen Orban und seine regierende Partei Fidesz (Bund Junger Demokraten) händeringend Partner außerhalb der EU. „Öffnung nach Osten“, nennt die Budapester Regierung diese Politik: Es geht darum, Ungarn neue Finanzquellen und Märkte im Osten zu erschließen, darunter vor allem in Russland und Zentralasien, aber auch in China und im Nahen Osten.

So soll die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes von der EU und ihrem Markt wie auch vom Westen allgemein verringert werden. Der Grund: Ungarn hat die EU und internationale Finanzinstitutionen mit seiner „unorthodoxen Wirtschaftspolitik“ vergrätzt, nämlich mit zahlreichen Sondersteuern für ausländische Unternehmen und Banken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde im Sommer 2010 aus dem Land geworfen, und die EU ist nicht mehr ohne weiteres bereit, Ungarn angesichts seiner permanenten Konfrontationspolitik im Notfall finanziell zu unterstützen.

Im Kreml fragt niemand nach rechtsstaatlichen Standards und Transparenz – das kommt Orban gelegen. Im Januar dieses Jahres schloss er mit Wladimir Putin einen hochumstrittenen Zehn-Milliarden-Euro-Deal über eine Erweiterung des ungarischen Atomkraftwerkes Paks um zwei Blöcke ab. Die meisten Einzelheiten des Vertrages sind bisher geheim, nur so viel ist klar: Ungarn wird sich auf Jahrzehnte hinaus zu ungünstigen Kreditbedingungen verschulden.


Die Sanktionen gegen Russland trägt Ungarn mit

Im Mai vereinbarte Orban in Budapest mit dem Gazprom-Chef Alexej Miller einen beschleunigten Bau der Erdgas-Pipeline South Stream, die Europa über das Schwarze Meer, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich mit russischem Gas versorgen soll. Vor wenigen Tagen verabschiedete das Budapester Parlament ein Gesetz, mit dem die EU-Regelung umgangen werden kann. Sie besagt, dass Gasanbieter nicht zugleich Pipeline-Bauer und -Betreiber sein dürfen – genau das trifft nämlich bei Gazprom und South Stream zu.

Sanktionen gegen Russland trägt Ungarn zwar bisher mit, doch Orban spricht sich immer wieder nachdrücklich gegen sie aus: Sie würden nichts bewirken, sondern ihren Urhebern schaden. Orban empfiehlt Putins Russland sogar als Vorbild: In seiner inzwischen zu Berühmtheit gelangten Rede von Baile Tusnad Ende Juli, in der er für Ungarn die Abschaffung der liberalen Demokratie verkündete, pries Orban Russland als Erfolgsmodell, das es zu studieren gelte.

Die meisten Beobachter in Ungarn sehen Orban dennoch nicht als „Putins trojanisches Pferd“ in der EU. Viele, darunter auch der Politologe Attila Juhasz, sprechen von einer „Schaukelpolitik zwischen Brüssel und Moskau“, die Orban betreibe. „Orban schließt einerseits bedeutende Wirtschaftsverträge mit Russland ab“, so Juhasz, „aber ernsthafte politische Unterwerfungsgesten gegenüber Russland hat er bisher nicht gemacht.“

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Quellen:

Stimme Russlands: http://german.ruvr.ru

Российская газета (Rossijskaja Gazeta): http://www.rg.ru/

Liberales Politikmagazin Magyar Narancs: http://magyarnarancs.hu/diplomaciai_jegyzet

Nationale Träume - Ungarns Abschied von Europa? Ungarns „Schaukelpolitik“ zwischen den USA und Russland (Feature im ORF)

Bericht in der politischen Wochenzeitung Hetek: http://www.hetek.hu/kulfold/201411/hogyan_taktikazik_magyarorszag_a_ket_nagyhatalom_kozott


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