Rumänien: Überraschungssieg für Klaus Johannis
„Nieder mit dem Kommunismus!“, „Weg mit der roten Pest!“, „Das Volk will euch nicht!“ – stundenlang riefen zehntausende Menschen in der Nacht zum Montag solche regierungsfeindlichen Parolen auf Bukarester Straßen. Es war eine der beeindruckendsten Demonstrationen in der postkommunistischen Geschichte Rumäniens – vor allem junge Leute waren gekommen, um gegen Wahlbetrug und Korruption zu protestieren und mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fordern.
Kurz vor Mitternacht wandelte sich die Empörung dann in Jubel – als feststand, dass Klaus Johannis, der deutschstämmige Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu), Rumäniens neuer Staatspräsident werden würde. Und das, obwohl die wendekommunistischen Machthaber der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) eine beispiellose Schmutzkampagne gegen ihn geführt hatten und auch vor massivem Wahlbetrug nicht zurückgeschreckt hatten: Europaweit mussten am Wahlsonntag zehntausende Auslandsrumänen, die traditionell eher gegen die Postkommunisten stimmen, stundenlang vor rumänischen Botschaften und Konsulaten anstehen, um abstimmen zu können: Es hatte nur wenige Wahlkabinen und Wahlstempel pro Wahllokal gegeben. Viele konnten trotz stundenlangen Wartens ihre Stimme nicht abgeben.
Empörung über Wahlbehinderung im Ausland
Als diese Bilder in rumänischen Fernsehsendern gezeigt wurden, fühlten sich viele Rumänen an die demütigenden Schlangen vor leeren Geschäften in der Ceausescu-Zeit erinnert – und daran, wie vor 25 Jahren, während des blutigen Sturzes von Ceausescu, Menschen erschossen wurden, weil sie für freie Wahlen kämpften.
Angesichts dessen sprachen viele Kommentatoren von einer „historischen Wahl“ und einem „Sieg der Wahrheit über die Lüge“. „Es ist ein Votum gegen die Mafia, gegen die Art der Politik und des Diskurses, wie wir sie in Rumänien erleben“, sagt der Publizist Ion Ionita.
Die Siebenbürger Sachsen gelten als anständig und ehrlich
Tatsächlich ist eine so dreist mit Hetzkampagnen und Wahlbehinderung operierende Regierungsmehrheit noch nie zuvor in der postkommunistischen Geschichte so klar abgestraft worden. Selbst in vielen PSD-Hochburgen im Osten und Süden Rumäniens lag Johannis zuletzt vorn. Und vor allem: Noch nie zuvor ist in Rumänien, wo weite Teile der Gesellschaft durchaus für nationalistische Parolen empfänglich sind, ein Nicht-Rumäne als Staatsoberhaupt gewählt worden.
Allgemein ist jedoch gerade das Image der Siebenbürger Sachsen positiv – sie gelten als fleißig, anständig und ehrlich. Mit diesem Ruf allein hätte Johannis allerdings kaum gewonnen. Landesweit genießt der 55-Jährige großes Ansehen als Bürgermeister, der sein Hermannstadt zu einer sauberen, korruptionsfreien Musterstadt gemacht hat. Von der korrupten Politelite konnte sich Johannis bisher fernhalten. Was ihm außerdem Sympathien bei der Mehrheit einbringt, ist, dass er sich nicht vom Volk abgrenzt. Er versteht sich explizit als rumänischer Bürger, der nie auswandern wollte, im Gegensatz zur Mehrheit der deutschen Minderheit, die in den Jahren 1990/91 Rumänien verließ. Zudem ist er mit einer Rumänin verheiratet.
Wähler erwarten neuen Politikstil
Von Johannis erwarten die Wähler nun vor allem einen neuen Politikstil. Dabei denken viele nicht nur an die korrupten wendekommunistischen Machthaber, die einzelne Regionen Rumäniens regieren wie Feudalherren, sondern auch an den scheidenden konservativen Staatspräsidenten Traian Basescu, der das Land mit seinem polemischen, intriganten Stil in der letzten Zeit immer mehr gespalten hat.
Johannis hat versichert, dass er für eine neue Art von Politiker stehen wird – für weniger Grobheit im Umgang miteinander und mehr Respekt füreinander. Dieses Versprechen hat Johannis mit seinem eigenen Verhalten bereits eingelöst. Schwerer dürfte es werden, andere Versprechen einzulösen, etwa, mehr Transparenz im Staat zu schaffen oder entschlossener gegen Korruption vorzugehen: Johannis hat als Präsident nicht allzu viel Macht und einen großen Teil der Elite gegen sich.
In seiner gewohnt pragmatischen Art machte Johannis nach seinem Wahlsieg keine großen Worte, sondern forderte die Regierung auf, die Verantwortlichen für den Wahlbetrug zur Rechenschaft zu ziehen und ein Amnestiegesetz für korrupte Politiker und Funktionäre zurückzunehmen. Dann versprach er: „Ich werde Präsident aller Rumänen und ein freier Präsident sein.“
Quellen:
News-Sender „Realitatea TV“
News-Sender „Digi24“
Rumäniens größte überregionale Tageszeitung „Adevarul“
Web-Präsenz der zentralen Wahlkommission