Entsetzen über rechtsradikalen Polizeichef
Für seinen Kampf gegen die Separatisten hat Wadim Trojan viele Medaillen erhalten. Mit Stolz trägt der 35-Jährige den Orden des Innenministeriums an der Brust. Nun hat er eine weitere Stufe der Karriereleiter erklommen: Seit Anfang November sitzt er auf dem Chefsessel der Polizei der Region Kiew.
Bürgerrechtler sind entsetzt. Denn Trojan ist als Neonazi verschrien. Er kommandierte das Asow-Bataillon, eine hauptsächlich aus Rechtsradikalen bestehende Freiwilligentruppe in der Ostukraine. Zudem soll er den militanten „Patrioten der Ukraine“ angehören und Verbindungen zur „Wotanjugend“ pflegen. Ausgerechnet ein Rechtsradikaler ist im Raum Kiew für Sicherheit und Ordnung zuständig.
Vom Innenminister ernannt
„Das ist inakzeptabel und gefährlich“, sagt Halja Kojnasch, eine führende Aktivistin der Charkower Menschenrechtsgruppe. „Es war ein schwerer Fehler, jemanden wie Trojan zum Polizeichef zu machen“, kritisiert Kojnasch. Verantwortlich für die Ernennung ist Innenminister Arsen Awakow. Der Minister verteidigt die Personalentscheidung: Relevant für den Posten sei nicht die politische Anschauung des Polizeichefs, sondern dessen Leistungen im Kampf gegen die Separatisten in der Ostukraine.
Bis vor kurzem war Trojan Vizekommandant des Asow-Bataillons, einer paramilitärischen Einheit in der Ostukraine. Das russischsprachige Bataillon besteht überwiegend aus Rechtsradikalen. Einige Kämpfer haben Hakenkreuze und SS-Runen auf ihre Stahlhelme gemalt.
Ex-Kommandant Trojan wagte bei den Parlamentswahlen im Oktober den Sprung in die Politik. Er ließ sich für die von Arseni Jazenjuk geführte Volksfront aufstellen, die bei den Wahlen zweitstärkste Kraft im Parlament wurde. Die Partei gilt sonst nicht als nationalistisch. Trojan verpasste übrigens den Einzug ins Parlament.
Trojan leugnet Verbindungen zu den Rechten
Seit er in der Politik mitmischt, leugnet Trojan seine Verbindung zu den Patrioten der Ukraine. Doch die Webseite von Jazenjuks Nationaler Front führte den Rechtsradikalen bis vor kurzem als Mitglied der Vereinigung. Auch die Wotanjugend jubelt über den neuen Polizeichef. „Das ist ein revolutionärer Schritt“, heißt es auf der Webseite der Neonazigruppe.
Dass ein Rechtsradikaler in der Ukraine Polizeichef wird, befeuert die russische Propaganda. Der Staatssender Rossia 24 bezeichnet Maidan-Aktivisten als „Faschisten“ und nennt die Regierung in Kiew „Junta“. Bürgerrechtlerin Kojnasch wehrt sich gegen die Pauschalisierung. „Ich glaube nicht, dass Trojan wegen seiner Ideologie auf den Posten kam.“ Ausschlaggebend sei sein militärischer Einsatz gewesen. Weder Innenminister Awakow noch die Regierung würden rechtsradikales Gedankengut unterstützen.
Vorwürfe gegen Bürgermeister Klitschko
Dennoch muss sich Kiew den Vorwurf gefallen lassen, nicht entschlossen genug gegen Rechte vorzugehen. Das wirft auch einen Schatten auf Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. Anfang November blockierten Kämpfer des Rechten Sektors ein Kino in Kiew, in dem ein Film über Homosexualität und Aids lief. Später wurde das Kino in Brand gesteckt. Rechtsradikale hätten das Feuer gelegt, vermuten die Veranstalter.
Die Münchner Stadträtin Lydia Dietrich sprach Klitschko vergangene Woche bei einem Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt auf die Attacke an. Menschenrechte finde er immer gut, soll Klitschko geantwortet haben. Aber für Lesben- und Schwulenrechte werde er sich nicht einsetzen.
Bürgerrechtlerin Kojnasch hofft, dass die Regierung die Ernennung Trojans rückgängig macht. „Ich möchte nicht, dass Russland das Thema zu Propagandazwecken ausschlachtet“, sagt sie. Zudem sei die Entscheidung „ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die am Maidan für Europa gekämpft haben“.
Quellen:
Halija Koijnasch, persönliches Gespräch
Lydia Dietrich, persönliches Gespräch
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