Oleh Ljaschko – Populist und Kriegsgewinnler
Als Oleh Ljaschko im Oktober 2012 ins Kiewer Parlament einzog, war er der einzige Vertreter seiner Partei. Ein Direktmandat aus dem Gebiet Tschernihiw katapultierte ihn als einen von 450 Abgeordneten in die Rada. Ljaschko ist ein zierlicher Mann Anfang 40. Sein braunes Haar lichtet sich bereits am Hinterkopf, er tritt am liebsten im traditionellen ukrainischen Hemd auf, und hat eine ungewöhnlich tiefe, polternde Stimme. Sein Parteisymbol ist eine Mistgabel, und mit dieser droht er, Oligarchen vor sich her zu treiben. Bis vor kurzem galt Ljaschko als One-Man-Show, als verbalradikaler Volkstribun.
Bei den Parlamentswahlen am nächsten Sonntag könnten nun mehr als 30 seiner Abgeordneten in die Werchowna Rada einziehen. Ljaschkos Radikale Partei liegt kurz vor der Wahl bei zehn Prozent Wählerstimmen, bis vor ein paar Wochen erreichte sie in Umfragen bisweilen sogar 20 Prozent. Ljaschko dürfte den zweiten Platz hinter dem Parteienbündnis von Staatspräsident Petro Poroschenko erreichen. Was ist der Grund für seinen Aufstieg?
„Populist mit Kalaschnikow“
Ljaschko hat es wie kein anderer verstanden, seinen Erfolg auf dem bewaffneten Konflikt im Donbass zu begründen. Er ist ein Kriegsgewinnler. Statt der bestickten Tracht trägt er nun Schwarz, vor den Augen eine verspiegelte Sonnenbrille. Auf Fotos posiert er vorzugsweise mit Gewehr in der Hand. Einen „Populisten mit Kalaschnikow“ nennt ihn Carnegie-Fellow und Friedensforscher Balazs Jarabik.
Ljaschkos Aufstieg begann mit dem Maidan, den er auch in brenzligen Situationen besuchte. Im Frühling unterstützte er die Gründung des Freiwilligenbataillons Asow. Darin kämpfen hauptsächlich Anhänger der neonazistischen Sozial-Nationalen Vereinigung. Wie weit diese Hilfe tatsächlich geht, ist nicht bekannt. Nachdem der Dnjepropetrowsker Gouverneur und Oligarch Ihor Kolomojskij, der mehrere Bataillone unterstützt, Asow im Sommer mit einem Finanzierungsstopp drohte, stellten die Kämpfer allerdings ihre Kooperation mit Ljaschko ein.
Politiker mit Hang zur Selbstjustiz
Ljaschko nutzt die Freiwilligenverbände zum aggressiven Selbstmarketing. Seit Beginn der „Antiterror-Operation“ der ukrainischen Armee im Donbass hat er unzählige Male die „ukrainischen Patrioten“ an der Front besucht. Clips im Internet bezeugen seinen „Kampfeinsatz“ vor Ort. In einem berühmt gewordenen Video sitzt der Separatisten-Führer Ihor Hakimsjanow gefesselt und nackt bis auf die Unterhose neben Ljaschko, der ihn anschreit und beschimpft. Erst später wird der Häftling den Behörden übergeben.
Amnesty International kritisierte die an Selbstjustiz erinnernden Aktionen des Abgeordneten in einem Bericht im August: „Oleg Ljaschko sollte als Parlamentarier Gesetze erlassen. Er hat jedoch das Gesetz in die eigenen Hände genommen.“ Analyst Wolodymyr Gorbatsch vom Kiewer Institut für euroatlantische Kooperation sagt: „Er stellt sich als jemand dar, der etwas tut. Seine Hauptkritik gilt den Mächtigen, die angeblich nichts tun.“ Vor allem in weniger gebildeten und ländlichen Schichten kommt seine Anti-Establishment-Rhetorik gut an.
Ljaschko ist ein Meister der Selbstinszenierung
Ljaschko, der früher als Journalist gearbeitet hat und Anfang der Neunziger wegen Veruntreuung ein Jahr in Haft saß, ist ein Meister der Selbstinszenierung: Bei der Inauguration von Vitali Klitschko als Kiewer Bürgermeister spazierte er begleitet von TV-Kameras ins Rathaus, ging zum Rednerpult und ergriff das Wort. Der verdutzte Klitschko überließ ihm für ein paar Minuten die Bühne. Neben dem zur Schau gestellten Patriotismus setzt Ljaschko am liebsten auf Schimpftiraden gegen Oligarchen, Politiker und faule Beamte. Dabei ist Ljaschko mehr Populist als waschechter Nationalist. „Er hat keine Ideologie außer sich selbst“, sagt der ukrainische Rechtsextremismusforscher Anton Schechowtsow.
Ermöglicht hat den Aufstieg Ljaschkos auch seine gestiegene Medienpräsenz. Experten weisen darauf hin, dass der Radikalen-Chef überdurchschnittlich oft im Fernsehkanal Inter zu sehen ist. Inter steht im Besitz von Sergej Ljowotschkin, unter Janukowitsch Chef der Präsidialadministration, und des Gashändlers Dmitrij Firtasch. In der Ukraine gilt das Fernsehen als das wichtigste Instrument der Oligarchen zur Propagierung bestimmter Kandidaten – vor allem in dieser kurzen Kampagne. Wahlkampf ist daher immer auch ein Medienkrieg.
Politologe Schechowtsow hält es für wahrscheinlich, dass der Sender-Eigner Ljowotschkin den Populisten Ljaschko noch zu Janukowitschs Zeiten als „politisches Projekt“ erschuf, um die nationaldemokratische Opposition – Timoschenkos Vaterlandspartei und Klitschkos Udar – zu schwächen. Doch Ljaschko dürfte sich von seinen Sponsoren teilweise emanzipiert haben. „Er hat Wählerunterstützung gefunden“, sagt der Politologe. Gut möglich, dass der Demagoge mittlerweile unabhängig geworden ist, während seine Förderer ihre Machtpositionen abgeben mussten.