Rumänien

Rumäniens Ruhrpott

ostpol: Euer Projekt heißt „Rumäniens Ruhrpott“. Was haben das rumänische Schiltal und das Ruhrgebiet gemeinsam?

Silviu Mihai: Beides sind monoindustrielle Regionen, in denen der Bergbau eine zentrale Rolle spielt und in denen die Bevölkerung von diesem Wirtschaftszweig abhängig ist. Sowohl das Schiltal als auch das Ruhrgebiet haben in den vergangenen Jahrzehnten eine starke Deindustrialisierung erlebt, viele Minen wurden geschlossen. Unser Projekt ist also sowohl für Rumänen als auch für Deutsche interessant. Deshalb gibt es unsere Website auf beiden Sprachen.

In euren Geschichten porträtiert ihr ganz unterschiedliche Menschen: arbeitslos gewordene Bergleute, eine 80-jährige Bäuerin und einen Künstler, der dem Verfall seiner Heimat mit Witz und Provokation begegnet. Was verbindet diese Leute?

Silviu Mihai (re.) und George Popescu / privat
Silviu Mihai (re.) und George Popescu / privat

Silviu Mihai: Es sind Menschen, die mit ihren unterschiedlichen Lebensgeschichten die verschiedenen sozialen Schichten im Schiltal repräsentieren. Dieses multimediale Puzzle soll den Lesern am Ende einen Einblick in die Hauptprobleme der Region und in den Strukturwandel in Rumänien geben.

George Popescu: Es war uns wichtig, nicht nur die Bergleute im Blick zu haben, auch wenn letztlich natürlich doch alle Bevölkerungsschichten irgendwie mit dem Bergbau zu tun haben.

Für eure Recherche habt ihr mehr als einen Monat im Schiltal verbracht und die Menschen dort begleitet. Habt ihr euch mit euren Protagonisten in dieser Zeit angefreundet?

Popescu: Klar, ich schließe immer und überall Freundschaften. Doch ausgerechnet hier haben wir besonders nette Menschen kennengelernt, die sofort bereit waren, uns zu helfen. Und das, obwohl das Schiltal im Rest Rumäniens überhaupt keinen guten Ruf hat.

Wie kommt das?

Popescu: Seit den berühmten Protestmärschen der von Arbeitslosigkeit bedrohten Bergarbeiter auf Bukarest in den 1990-er Jahren, bei denen sechs Menschen getötet und hunderte verletzt wurden, verbinden viele Rumänen das Schiltal bis heute in erster Linie mit Gewalt und Barbarei.


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Mihai: Die rumänischen Medien haben diese Region seitdem vernachlässigt. Die Leute haben sich deshalb nun besonders gefreut, mit uns Journalisten zu sprechen. Wir haben so viele Interviewpartner gefunden, dass unser bisher gesammeltes Material für mehr als 20 Artikel reichen wird.

Eure Geschichten entstehen immer im Team: Silviu schreibt die Texte, George macht die Fotos und dreht Videos. Welche Rolle spielt Multimedialität für euer Projekt?

Mihai: Von Anfang an wollten wir das volle Potenzial des Webs als Medium ausschöpfen. In Deutschland gibt es bisher leider noch nicht viele Abnehmer für multimediale Formate. Mit unserem Projekt wollten wir zeigen, dass mehr möglich ist, als einfach einen Text mit ein paar Bildern zu illustrieren und auf eine Website zu stellen.

Popescu: Der multimediale Anspruch hat uns aber auch vor Herausforderungen gestellt. Während der Recherche mussten wir uns in jeder Situation neu überlegen, was gerade besser passt: die jeweilige Person zu fotografieren, zu filmen oder eine Audioaufnahme zu machen.



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Ihr finanziert euer Projekt ausschließlich über Fördergelder und Spenden, rund 3.600 Euro habt ihr über die Crowdfunding-Plattform „Krautreporter“ gesammelt. Was bedeutet Crowdfunding für den Journalismus?

Popescu: Crowdfunding ist zu einer wichtigen Finanzierungsmöglichkeit geworden. Übrigens auch in Rumänien selbst, wo die meisten Journalisten von ihren Gehältern und Honoraren kaum noch leben können.

Mihai: In Rumänien glaubt mittlerweile niemand mehr daran, dass Printausgaben auf Dauer bestehen können. Gleichzeitig sind die Rumänen ähnlich wie die Deutschen nicht bereit, für den Online-Inhalte zu bezahlen. Also werden wir in Zukunft auf Alternativen wie Crowdfunding zurückgreifen müssen.

Popescu: Ob du ein Projekt per Crowdfunding finanzieren kannst, hängt allerdings davon ab, welches Thema du auf den Tisch legst. Ich denke, unser Projekt war mal etwas anderes und hat die Leute überrascht.

Mihai: Außerdem haben wir gleich in zwei Ländern Leute angesprochen: In Rumänen hat das Projekt diejenigen interessiert, die einen Bezug zum Schiltal haben. In Deutschland haben wir viel Unterstützung von Menschen aus dem Ruhrgebiet bekommen, außerdem von Freunden, Aktivisten und anderen Journalisten. Wir haben es geschafft, per Crowdfunding genug Geld zu sammeln, um unseren Aufenthalt im Schiltal, sowie Reise- und Verpflegungskosten zu decken. Wir freuen uns aber auch weiterhin sehr über Spenden, um Leuten wie unserem Programmierer oder unserem Cutter faire Honorare zahlen zu können.

Das Projekt wurde von n-ost über die Crowdfunding-Plattform Krautreporter mitfinanziert. Zum Projekt von Silviu und George geht es hier.


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