Schloss Bran: Grusel-Kitsch und Geschichte
Eines gleich zu Beginn: Nein, es gibt keine Vampire in diesem Schloss, und es hat hier wohl auch nie welche gegeben. Trotzdem ist Schloss Bran in Siebenbürgen als „Draculas Schloss“ weltbekannt und eine den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Rumänien.
In diesem Jahr machte das Schloss in der Nähe von Brasov (deutsch Kronstadt) international Schlagzeilen. Angeblich suchte eine New Yorker Anwaltskanzlei einen Käufer für das Gemäuer, das 1377 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Den derzeitigen Besitzern, drei betagten Mitgliedern des Hauses Habsburg, sei der Unterhalt des Schlosses zu aufwändig, berichtete die englische Zeitung „The Daily Telegraph“ im Mai. Die beauftragte Kanzlei Herzfeld & Rubin betont jedoch, dass die Besitzer nicht aktiv nach einem Käufer suchten, allerdings offen seien für gute Angebote.
Und so gehört das Schloss nach wie vor der Familie Habsburg. Im Kommunismus enteignet, war es ihr im Jahr 2006 zurückgegeben worden, 2009 eröffneten die Besitzer im Schloss das heutige Museum. Durch den internationalen Erfolg von Vampir-Büchern und -Filmen habe das Museum seither eine stetig wachsende Zahl von Besuchern, sagt Marketingdirektor Alexandru Priscu. „Wichtig für uns waren aber auch der EU-Beitritt Rumäniens und die damit einhergehende bessere Infrastruktur.“ Die Gegend um Bran ist in den vergangenen Jahren touristisch regelrecht aufgeblüht – die Straßen wurden ausgebaut, neue Hotels und Pensionen eröffnet.
Dracula-Masken und Totenschädel begrüßen die Besucher
Mehr als eine halbe Million Touristen kommen heute jährlich ins Schloss, auf der Suche nach Legenden und Geistern, Geschichte und Fakten. Diese Nachfrage wissen die Betreiber geschickt zu bedienen – auch mit originellen Party-Arrangements: „Wir bieten drei Themenpartys an: das Mittelalter, das rumänische Königshaus in der Zwischenkriegszeit und Dracula-Abende – alles raffiniert und geschmackvoll, wir möchten Abstand vom Dracula-Kitsch halten“, betont der Marketingchef.
Tatsächlich ist allerdings schon der Platz vor dem Eingang zum Schlossgelände von Kitsch überflutet: Dracula-Figuren und -Masken, Plastikzähne und schwarze Umhänge, Totenköpfe, Plastiksäbel, grüne Schleimmonster und vieles mehr. Touristenmassen schieben sich an einem schwarz gekleideten Entertainer auf Stelzen vorbei. Hat man all das aber erst einmal hinter sich gelassen, gelangt man in einen gepflegten Garten mit einem See voller blühender Seerosen. Hier werden im Sommer Konzerte organisiert, sowohl klassische als auch Jazzabende.
Die Besitzer thematisieren lieber die königliche Vergangenheit
Obendrüber thront würdevoll das Schloss. Jeder Tourist, der es im Kommunismus schon einmal besucht hat, wird überrascht sein: Zwar konnte man das Schloss auch damals besichtigen, doch die Innenräume standen leer, so dass Besucher wenig Anreiz hatten, länger zu verweilen. Heute sind die Räume möbliert wie im Jahr 1920, als die Gemeinde Kronstadt das Schloss an die rumänische Königin Maria verschenkte, die Großmutter der heutigen Besitzer. Nach dem Zweiten Weltkrieg enteignete der rumänische Staat die Königsfamilie, ab 1956 wurde das Schloss samt Gelände als Museum genutzt.
Die meisten Besucher interessieren sich allerdings nicht für die jüngere königliche Geschichte des Schlosses, sondern für seine vermeintliche düstere Vergangenheit. Dabei hat Schloss Bran mit Graf Dracula eigentlich nichts zu tun. Den Ruf als Dracula-Schluss erhielt es wohl dadurch, dass der Sitz des Vampirs in Bram Stokers berühmtem Roman noch am ehesten an Schloss Bran erinnert. Der Autor hat Rumänien nie besucht – laut einer Theorie ließ er sich aber von Zeichnungen von Schloss Bran inspirieren.
Die Legende von Graf Dracula an sich soll auf den rumänischen Fürsten Vlad III. zurückgehen, der sich im 15. Jahrhundert mit einer besonders grausamen Bestrafungsmethode den Beinamen „Der Pfähler“ verdient haben soll. Auch Fürst Vlad – auch bekannt unter dem Namen Draculea, Sohn des Drachen – lebte nicht auf Schloss Bran. Das hält die Betreiber aber nicht davon ab, ihm einige Räumlichkeiten zu widmen. Ganze 52 Folterobjekte zeugen hier davon, dass Grausamkeit im Mittelalter nicht nur eine Spezialität des „Pfählers“ war.
Zwei Drittel der Besucher kommen aus dem Ausland
Die Touristen sind angetan von so viel Grusel, laufen fasziniert durch die Räume und Korridore. Fast zwei Drittel der Besucher kommen aus dem Ausland, und es werden immer mehr: Vor 2009, als noch der Staat das Museum betrieb, seien es laut Daten des Tourismusministeriums nur 33 Prozent Ausländer gewesen, sagt Alexandru Priscu.
Sollte das Schloss eines Tages tatsächlich verkauft werden, hätte der rumänische Staat wieder das Erstkaufrecht. Von Verkauf könne aber keine Rede sein, betont Marketingdirektor Priscu, dafür hätten die derzeitigen Besitzer zu viel vor: „Wir bereiten die größten Investitionen seit 2009 vor.“ Eine königliche Teestube soll eröffnet, der elektrische Lift vom Garten zum Schloss wieder in Betrieb genommen werden. Auf der 37 Meter überwindenden Fahrt mitten durch den Felsen sollen die Besucher mittels Multimedia-Show auf Zeitreise gehen. „Wer also mehr erwartet als Vampir-Plastikzähne, ist bei uns gut beraten“, findet Priscu.