Polen

Die vergessenen Schauplätze des Ersten Weltkriegs

ostpol: Beim Thema Erster Weltkrieg denkt man zuerst an die Schlachten an der Somme und um Verdun. Sie hingegen haben einen Bildband über Orte des Krieges in Polen veröffentlicht.

Eric Pawlitzky: Die Kriegsschauplätze im Osten scheinen vergessen zu sein. Das ist ein Ungleichgewicht in der Wahrnehmung, denn dort wurde genauso gelitten wie im Westen. Auch dort gab es einen brutalen Stellungskrieg, wurde Giftgas eingesetzt, starben unzählige Menschen.

ostpol: Was hat Sie bewogen, dieses Thema zu bearbeiten? 

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Eric Pawlitzky / privat       

Pawlitzky: Beim Lesen einer Biografie über Paul von Hindenburg habe ich erstmals gemerkt, wie wenig ich über die Zeit des Ersten Weltkriegs in Polen weiß. Später bin ich mit dem Zug an der EU-Ostgrenze entlanggefahren. Diese Reise durch Polens Osten hat mir gezeigt, welche landschaftlichen Schätze Europa dort hat: Eine Vielfalt an Landschaften, ursprünglicher und weniger stark industriell überformt als hier in Deutschland. Da ist die Idee eines Bildbandes über diese Orte gereift.

ostpol: Sie schreiben in der Einleitung: „Das Gefährliche vergangener Kriege ist, dass wir sie vergessen könnten.“ Geht es Ihnen auch darum, ein solches Vergessen zu bekämpfen?

Pawlitzky: Ja, meine Bilder sind eine Form der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Ich will die Dinge, die man in der Landschaft nicht mehr sieht und die auch aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden sind, auf diese Art reproduzieren. Und sei es in der Fantasie der Betrachter. Ich will den Betrachtern dieser Fotografien den Raum lassen, das Kopfkino anzuschalten.



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ostpol: Das Kopfkino ist nötig, denn 100 Jahre danach ist vom Krieg auf Ihren Bildern nichts mehr zu sehen.

Pawlitzky: Ja, in diesen Landschaften sind überhaupt keine Spuren des Krieges mehr zu sehen. Deshalb auch der Titel: „Und alles ist weg“. Natürlich findet man dort noch die Friedhöfe. Diese wurden in den 1920-er Jahren angelegt, mit oft hohem künstlerischem Anspruch. Die Friedhöfe im Osten sind im Gegensatz zu denen in Frankreich recht klein und sehr individuell. Sie erinnern eher an Dorffriedhöfe als an Soldatenfriedhöfe.


Ausstellungen

Eric Pawlitzky zeigt seine Fotografien mit den dazugehörigen Quellentexten an verschiedenen Ausstellungsorten in Deutschland und Polen:

1. August bis 31. August 2014
Polnisches Institut
Prinzregentenstraße 7
München

24. August bis 30. September 2014
Regionalmuseum Elk
Masuren

25. September bis 19. Oktober 2014
Galerie Kunstraum
Knebelstraße 19
Jena

23. November bis 23. Dezember 2014
Regionalmuseum Brzeziny

8. März bis 30. Juni 2015
Deutsch-polnisches Museum
Dresden


ostpol: Ihre Bilder sind sehr ästhetisch. Ist das nicht ein Widerspruch zum Thema?

Pawlitzky: Dieser Widerspruch ist gewollt. Ich nutze eine ästhetisierende Fotografie, meine Bilder zeigen schöne, friedliche Landschaften. Doch jede Fotografie wird begleitet von einem Text, der Kriegshandlungen an eben diesem Ort beschreibt. Ich habe solche Texte recherchiert und dann nach den authentischen Orten gesucht.

ostpol: Was sind das für Texte?

Pawlitzky: Es sind historische Quellen von deutschen und österreichisch-ungarischen Augenzeugen des Krieges. Sie beschreiben oft konkrete Landmarken, die ich dann fotografiert habe, aber eben auch die Akte der Gewalt an diesen Orten. Viele der Quellen stammen aus Propagandaschriften, die noch während des Krieges entstanden sind. Entsprechend parteiisch sind sie. Diese Texte mit ihrer oft nationalistischen, überheblichen Sprache stehen in krassem Gegensatz zu meinen ästhetisierenden Landschaftsfotografien. Ich möchte damit auch sensibilisieren. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Landschaften in meinen Bildern so friedlich sind. Wir müssen etwas dafür tun, dass das so bleibt und diese Wiesen nicht wieder von Schützengräben durchzogen werden.

Auf den Spuren der vergessenen Ostfront in Polen

      

Und alles ist weg - Orte des 1. Weltkrieges in Polen
Autor und Fotograf: Eric Pawlitzky
Übersetzungen: Mateusz J. Hartwich
HörBild Verlags- und Produktionsgesellschaft oHG
Berlin 2014
72 Seiten, deutsch und polnisch
26 farbige Bildtafeln
ISBN: 978-3-9816590-0-9
27,00 Euro

Die Recherchen für dieses Buch wurden unterstützt durch ein Stipendium der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.


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