Bosnien-Herzegowina

Gedenken im neuen alten Wahrzeichen von Sarajevo

An dieser Straßenecke begann das 20. Jahrhundert. So zumindest steht es auf Englisch auf einem großen Transparent auf der Fassade eines Museums im Herzen von Sarajevo. Eingerahmt wird der Spruch von den Gesichtern des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und des 19-jährigen Gavrilo Princip. Genau hier wurden am 28. Juni 1914 der Kronprinz und seine Frau Sophie von Princip erschossen. Das Attentat lieferte Österreich-Ungarn, zu dem das heutige Bosnien-Herzegowina damals gehörte, einen Vorwand für den Angriff auf Serbien und wurde zum Auslöser des Ersten Weltkriegs.

Zum Gedenken an diesen Tag findet seit dem Wochenende in Sarajevo das sogenannte „Heart of Europe“- Festival statt, dazu Diskussionsrunden an den Universitäten und viele andere Veranstaltungen rund um das Jubiläum. Schlussakt und Höhepunkt der Feierlichkeiten wird ein Gedenkkonzert der Wiener Philharmoniker am kommenden Samstag in der „Vijecnica“, der Stadthalle von Sarajevo sein. Es ist die erste öffentliche Veranstaltung in dem Gebäude seit seiner Wiedereröffnung am 9. Mai.


Mit der Vijecnica verbrannte ein Großteil der Geschichte Sarajevos

Die orientalisch anmutende Stadthalle Vijecnica ist das Wahrzeichen Sarajevos und steht wie kein anderes Gebäude für das Leid, das diese Stadt während der drei Kriege im vergangenen Jahrhundert heimgesucht hat. Franz Ferdinand und Sophie waren gerade auf dem Rückweg von dort, als die Kugeln des Attentäters sie trafen. Fast 80 Jahre später, in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1992, wurde das Gebäude von Truppen der Jugoslawischen Volksarmee und Streitkräften der Republika Srpska zerstört. Zu diesem Zeitpunkt befand sich in ihm die Nationalbibliothek Bosniens und Herzegowinas. Mit Millionen Dokumenten von unschätzbarem Wert verbrannte damals ein großer Teil der Geschichte der Stadt und des Landes.

„Künstlerisch und architektonisch ist die Vijecnica ein Symbol für Bosnien und Herzegowina, eine Synthese der verschiedenen Einflüsse und Kulturen, die hier leben und gelebt haben“, sagt der heutige Bürgermeister von Sarajevo, Ivo Komsic. Die Architektur des 1894 fertiggestellten Gebäudes verbindet maurische Elemente mit denen Österreich-Ungarns. Es bestehen Ähnlichkeiten zur neuen Synagoge in Berlin oder zum Leopoldstädter Tempel, der bis 1938 in Wien stand. Die Vijecnica verbindet christliche, muslimische und jüdische Elemente und ist so ein Paradebeispiel dafür, warum Sarajevo auch das „Jerusalem des Balkans“ genannt wird. Nach 1894 wurde sie zunächst als Rathaus genutzt, von 1949 bis zur Bombardierung 1992 als Bibliothek.

Die Wiederaufbauarbeiten zogen sich über 18 Jahre hin und sind auch sechs Wochen nach der Wiedereröffnung noch nicht komplett abgeschlossen. Ziel der Arbeiten war eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion, die auch den Innenraum, Skulpturen, Gemälde und Bücher umfasste. Die Kosten wurden zu großen Teilen von der EU, Österreich und der Türkei übernommen. Nun sind aber abermals die National- und Universitätsbibliothek in dem Gebäude untergebracht, aber auch das Museum der Stadt Sarajevo und ein Teil der Stadtverwaltung.


Konzert mit deutschen, österreichischen und französischen Stücken

Der 9. Mai wurde bewusst als Termin für die Eröffnung gesetzt, erklärte Bürgermeister Komsic im Vorfeld, um sie mit den Feierlichkeiten zum Europatag und zum Sieg über den Faschismus zu verbinden. Die Vijecnica sei schließlich „ein Zeichen dafür, dass sich Sarajevo immer gegen Übel und Faschismus gestellt hat“.

Beim Gedenkkonzert am kommenden Sonntag werden nun neben der bosnischen Nationalhymne und Beethovens „Ode an die Freude“ Werke deutscher, österreichischer und französischer Komponisten gespielt. Die Einwohner Sarajewos können das Konzert über Leinwände auf dem Vorplatz mitverfolgen. Zudem wird es Übertragungen in ganz Europa geben, unter anderem von ZDF, ORF und SRF.


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