Bosnien-Herzegowina

Bosniens Fußball-Elf: Helden nur im halben Land

Die Tram Nummer drei fährt neuerdings mit einem Fußball bemalt durch Sarajevo. Die Waggons leuchten in Blau-Weiß-Gelb. Die Farben der bosnischen Nationalflagge prägen derzeit das Straßenbild. Selbst von Smartphonehüllen, Kaffeekochern und Geschirr lächeln einen derzeit die Gesichter der bosnischen Fußballprofis an.

Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes hat sich die bosnische Nationalmannschaft für eine Fußball-WM qualifiziert. Tausende Fans begrüßten ihre Nationalhelden in Sarajevo nach der Qualifikation im vergangenen Oktober. Am Montag (16. Juni) werden die „Zmajevi“, auf deutsch „Drachen“, in Brasilien ihr WM-Debüt gegen Argentinien geben.


Sechs Bosnier spielen in der deutschen Bundesliga

Auch in Deutschland werden viele die Spiele der bosnischen Nationalmannschaft mit Interesse verfolgen, denn sechs der Nationalspieler spielen in der deutschen Bundesliga. Besonders bekannt ist der Stürmerstar Edin Dzeko, der mit dem VfL Wolfsburg deutscher Meister wurde, bevor er 2011 zu Manchester City wechselte. Noch nie hatte Bosnien-Herzegowina so viele Weltstars im Kader, man spricht auch von der „goldenen Generation“ der Drachen. Diese sind nun Superstars und Werbeikonen.

Doch der Eindruck trügt, denn Bosnien ist ein gespaltenes Land. Im serbischen Teil Bosniens, der Republik Sprska, feuert keiner die Nationalmannschaft an. „Serbien ist nicht bei der WM dabei, deswegen ist es den meisten nicht so wichtig, wer Weltmeister wird. Ich persönlich wette auf Brasilien“, sagt ein bosnischer Serbe in einem Wettbüro in Ostsarajevo.

Die Fußballfans aus dem serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas wünschen sich eine eigene Nationalelf oder gleich den Anschluss an Serbien. Die WM-Qualifikation ignorierten sie, in den meisten Kneipen werden die Spiele der Bosnier nicht einmal gezeigt.


Geteilte Städte

Fußballverrückt sind die Menschen im ganzen Land, doch der Fußball kann die zerstrittenen Parteien nicht einen. Bosnien-Herzegowina ist seit dem Krieg in drei sogenannte Volksgruppen geteilt: In Bosniaken, Kroaten und Serben. Die meisten Kroaten feuern die kroatische, die Serben die serbische Mannschaft an. Auch im Fußballverband gibt es immer wieder Konflikte: 2003 verließen die bosnischen Serben wegen eines Streits um die Trikotfarben sogar den Verband, allerdings traten sie kurz danach wieder ein.

Anders als Serbien ist Kroatien in Brasilien dabei – in Gruppe A zusammen mit dem Gastgeberland, mit Mexiko und Kamerun. „Das ist eine sehr schwere Gruppe, aber mit Luka Modric kommen wir da schon weiter“, sagt der bosnische Kroate Josip Maskovic aus Mostar. Durch die Stadt im Süden des Landes verläuft eine sonst unsichtbare Grenze am Fluss Neretva entlang. Jetzt, zur WM, wehen auf der einen Seite kroatische und auf der anderen bosnische Flaggen. Bei Wahlen gewinnen hier die nationalistischen Parteien der jeweiligen Volksgruppen. Durch nationalistische Ultras auf beiden Seiten wirkt der Fußball eher trennend als verbindend.

In Sarajevo sind die Erwartungen an die Nationalelf dagegen hoch. „Gegen Argentinien werden wir verlieren, aber Iran und Nigeria können wir besiegen und dann ins Achtelfinale kommen“, sagt ein Verkäufer in der Altstadt, der Produkte mit den bosnischen Nationalfarben an Touristen verkauft. In Anspielung auf das Attentat in Sarajevo, das als Auslöser für den Ersten Weltkrieg gilt, ergänzt er: „Und wenn wir es ins Finale schaffen, dann wird das hier der krasseste Tag seit ziemlich genau 100 Jahren.“


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