Bosnien-Herzegowina

Steinmeier macht bosnischen Flutopfern Mut

„Passt auf! Lauft nicht durch den Matsch, hier könnten überall Minen sein“, sagt Leonid Sahbegovic. In seinem Heimatort Maglaj, gut 100 Kilometer nördlich von Sarajevo, ist das Wasser abgeflossen und hat das Ausmaß der Zerstörung sichtbar gemacht. Jetzt fürchten sich die Menschen in Maglaj vor zwei anderen Dingen: Landminen und Erdrutsche.

In Bosnien-Herzegowina liegen noch etwa 120.000 Landminen verstreut. Vor der Flutkatastrophe befanden sich diese auf markierten Feldern, aber nun sind sie wieder in Bewegung. Erdrutsche haben Häuser mitgerissen, oftmals erst nachdem das Wasser abgeflossen war, als sich die Bewohner schon in Sicherheit wähnten.

Einige Kilometer nördlich von Maglaj steht das Wasser noch. Schweine, Pferde und Kühe blockieren die Straßen, weil sie weder nach links noch nach rechts ausweichen können. Moskitos stechen erbarmungslos zu und tote Tiere treiben auf dem Wasser. In der prallen Sonne verrotten die Tiere, der Gestank ist unerträglich, die Seuchengefahr wird als hoch eingestuft.


„Hier gibt es kein Leben mehr“

Die Ernten in den betroffenen Regionen sind zerstört, die Böden unfruchtbar und viele Nutztiere sind in den Fluten umgekommen. Die wirtschaftliche Grundlage der landwirtschaftlich geprägten Regionen ist dahin. Die Opfer der Flut wissen nicht, wie es weitergehen soll. Andjelka Jovic kommt aus Kopanice an der bosnisch-kroatischen Grenze. Ihr Dorf ist derzeit eine Seelandschaft, aus der einige wenige Häuser hervorschauen. Sie sagt: „Wer woanders hin gehen kann, sollte jetzt woanders hin gehen. Hier gibt es kein Leben mehr.“

Von einer „beispiellosen Katastrophe“ spricht auch der deutsche Außenminister, der für zwei Tage nach Bosnien gekommen war und sich ein Bild von der Lage machte. „Sie haben mein Mitleid und das aller Deutschen“, sagte Frank-Walter Steinmeier auf dem „Wirtschaftsforum für Prosperität und die Schaffung von Arbeitsplätzen“, das am Montag und Dienstag in Sarajevo stattfand.

Die Veranstaltung begann am Montag mit einer Schweigeminute für die Flutopfer. Anschließend erklärte Steinmeier in seiner Rede, dass die Bundesregierung fünf Millionen Euro für schnelle Hilfen in Bosnien-Herzegowina beschlossen habe. Diese Mittel sollten geschädigten Kleinbetrieben möglichst schnell und unkompliziert zugute kommen und Arbeitsplätze sichern. Die Lage im Land ist schon ohne die Auswirkungen der Flut prekär: Fast jeder Zweite ist arbeitslos, unter den Jugendlichen sind es deutlich mehr.

Steinmeier sagte zudem Hilfe bei der Räumung der Landminen zu. Die Bundesregierung werde eine Millionen Euro für die Beseitigung von freigespülten Landminen und gefährlicher Munition aus dem Bosnienkrieg zur Verfügung stellen. Insgesamt beläuft sich die Soforthilfe aus Deutschland laut Auswärtigem Amt auf knapp sieben Millionen Euro.


Lob für Zusammenhalt, Mahnung zu Reformen

Der deutsche Außenminister lobte, dass Bosniaken, Kroaten und Serben über ethnische Grenzen hinweg Solidarität bewiesen und gemeinsam gegen die Jahrhundertflut kämpften. Zugleich mahnte Steinmeier Reformen an: „Die Menschen im Land machen vor, was den politischen Eliten als Bewährungsprobe bevorsteht – das große Reformwerk, das dieses Land braucht.“

Diese Aussage richtet sich an die Parteien des Landes, die sich derzeit im Wahlkampf befinden. Im Oktober dieses Jahres finden in Bosnien-Herzegowina allgemeine Wahlen statt; gewählt werden das Staatspräsidium, das Parlament und die Gouverneure der Kantone. Bakir Izetbegovic, bosniakisches Mitglied und amtierender Vorsitzender des dreiköpfigen Staatspräsidiums, betonte auf dem Wirtschaftsforum, dass es wichtig sei, die Zusammenarbeit über ethnische Grenzen zu intensivieren.

Einige Gäste im Publikum können sich da das Lachen nicht verkneifen. Eine Besucherin sagt im Anschluss an die Rede Izetbegovics: „Dieser Mann ist doch für den politischen und wirtschaftlichen Stillstand in diesem Land mitverantwortlich. Es hat seine Gründe, dass die Fluthilfe in Serbien und Kroatien effektiver organisiert wird als bei uns.“


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