Radikale Alternative für Polen
„Der König kommt!“ Mit diesen Worten stimmt der Aktivist der Partei Kongress Neue Rechte (KNP) am Samstag die rund 400 Kampagnenbesucher in Katowice, Hauptstadt des oberschlesischen Industriereviers, auf Parteichef Janusz Korwin-Mikke ein. Und der 71-Jährige heizt ein. „Wir müssen das ganze rote Gesindel in Brüssel demaskieren und vertreiben, denn sie zerstören unsere Wirtschaft“, ruft er in die Menge.
Mit diesen Worten sind die inhaltlichen Eckpfeiler gesetzt, mit denen die KNP in den letzten Monaten in der Wahlkampagne zum Europäischen Parlament (EP) rasant an Zustimmung gewinnt. Zuletzt wird sie in Umfragen mit 6-7 Prozent notiert, und wäre damit die vierstärkste polnische Kraft im neuen EP. Einige Umfragen sehen sie sogar vor der Linksallianz (SLD).
Die KNP zieht vor allem jene an, die Schwierigkeiten haben, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, oder sich von Regierung und EU bevormundet sehen. Das sind insbesondere junge Menschen, denn die Arbeitslosigkeit unter 16-24-Jährigen in Polen beträgt etwa 26 Prozent.
Ein Teil von ihnen äußert ihren Unmut jedoch nicht durch die Hinwendung zur Linken, die für viele nach wie vor diskreditiert ist, sondern zur Rechten - und zum radikalen Kapitalismus.
„Junge Menschen sind nach 1989 im Geiste einer extrem neoliberalen Weltsicht großgeworden, der Staat ist dabei der größte Feind“, sagt Michał Syska, Direktor des Lassalle-Instituts in Breslau.
Die Partei ist dabei durchaus vergleichbar mit der deutschen Alternative für Deutschland (AfD) – nur viel radikaler. Denn die KNP strebt laut Programm „die Liquidierung der EU“ durch eine Reduzierung dieses „künstlichen, ideologischen Gebildes“ auf einen Freihandelsraum an.
Der Euro dürfe in keinem Fall eingeführt werden, jegliche Regulierungen, etwa beim Klimaschutz, abgeschafft werden. „Das Problem ist nicht, dass das EP schlecht funktioniert. Das Problem ist, dass es überhaupt existiert“, sagt KNP-Kandidat Wieslaw Lewicki.
KNP: Mit simplen Parolen ins EU-Parlament?
Ähnlich denkt auch der 20-jährige Piotr Piekutowski. „Wie einst im Dritten Reich oder der Sowjetunion beschränkt eine Armee von Bürokraten in Brüssel die wirtschaftliche Freiheit“, sagt der Kunstgeschichtestudent am Rande der Kundgebung. So würden etwa im Zuge neuer Tabakverbote in Polen viele Menschen ihre Arbeit verlieren.
Und ein 22-jähriger Informatikstudent erklärt, warum sich vor allem junge Menschen um Korwin-Mikke scharen: „Die Älteren wurden durch den Sozialismus geprägt, und sie haben, anders als unsere Generation Y, Angst vor der System-Revolution.“
Die älteren konservativen Wähler bleiben tatsächlich lieber bei der etablierten, inzwischen nur gemäßigt EU-kritischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). „Kaczynski hat ein Problem mit Korwin-Mikke, denn bisher hatte die PiS all jene um sich geschart, die zumindest EU-skeptisch waren“, sagt Pawel Wronski von der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.
Tatsächlich ist ein Großteil der Polen inzwischen zufrieden mit der Mitgliedschaft Polens in der EU, auch viele PiS-Anhänger. Die Partei formuliert längst keine Grundsatzkritik an der EU mehr.
KNP-Chef Korwin-Mikke stellt sich hingegen gerne in eine Reihe mit EU-kritischen Rechtspopulisten anderer EU-Staaten. Etwa mit der Front National in Frankreich, der Lega Nord in Italien und auch mit der deutschen AfD. „Die Brüsseler Dogmatiker sind Kommunisten, Maoisten, Trotzkisten, wir wollen sie gar nicht unterscheiden. Es ist wie bei den Indianern. Nur ein toter Roter ist ein guter Roter“, ruft er unter Beifall in die Menge.
Viel Konkreteres ist auch dem einseitigen EU-Wahlprogramm der KNP nicht zu entnehmen. Aber mehr wird offenbar nicht nötig sein, um ins EU-Parlament einzuziehen.