Die EU muss mehr Druck machen!
Meine Generation, heute zwischen 35 und 40 Jahre alt, ist die letzte, die sich noch an das kommunistische Rumänien erinnert. Und diese Erinnerungen sind alles andere als angenehm: Mangelwirtschaft, Angst, allumfassende Korruption.
Das kommunistische Rumänien war eine Welt falscher Werte. Meine Generation darf dies nicht vergessen, was der Kommunismus und die schwierigen Jahre des Übergangs nach 1989 bedeuteten. Ich darf und werde nicht vergessen, wie es war, dass wir außerhalb der Europäischen Union lebten.
Für mich, wie für viele meiner Freunde, bedeutete der EU-Beitritt nicht nur eine schöne Fassade, die die eigentliche Misere im Lande verstecken sollte. Nein. Für mich war der EU-Beitritt der Beitritt zu einer Organisation, die für klare Prinzipien und Werte steht: Rechtsstaat, demokratische Werte, Kampf gegen die Korruption, Kampf gegen den Versuch von politischen Parteien, sich den Staat unterzuordnen, wie einst die Rumänische Kommunistische Partei.
Die EU hat nicht alle Probleme gelöst
Für mich und meine Generation war der Weg in die EU besonders wichtig. In den neunziger Jahren haben viel zu viele Freunde und Bekannte Rumänien verlassen, weil ihnen die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft das Leben zur Hölle gemacht hatten. Ich habe mich entschieden, zu bleiben. Als Journalist habe ich versucht, etwas zur Verbesserung der Situation beizutragen. Ich habe es für richtig gehalten, den Kampf um ein besseres Land nicht aufzugeben, weil ich gesehen habe, dass unsere EU-Partner uns dabei helfen.
Dieser Kampf meiner Generation ist noch nicht zu Ende. Auch wenn Rumänien der EU beigetreten ist, haben sich damit wie erwartet nicht alle Probleme gelöst. Viel Arbeit ist noch zu leisten, aber jetzt weiß ich, dass wie starke Verbündete haben: die europäischen Werte und Prinzipien, die mein Land beachten muss.
Im Jahr 2014, in dem die Europawahl vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine sowie des Aufstiegs des Extremismus stattfindet, lautet meine Antwort auf die Titelfrage ganz einfach: Ich erwarte, dass die EU standhält. Ich erwarte nicht mehr als das. Im Gegenteil. Ich erinnere mich an die Wörter von John F. Kennedy: „Frag nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage, was Du für Dein Land tun kannst.“
Wir müssen für die europäischen Werte kämpfen
Meine Generation und ich wissen ganz genau, wie viel Gutes uns die EU schon getan hat: Sie hat uns geholfen, unser Land zu reformieren, sie hat uns wirtschaftlich geholfen. Sie hat uns Chancen geboten, von denen wir vor 20 Jahren nur träumten. Das reicht, um zu verstehen, dass die EU ein unglaubliches Projekt ist, das einzige, das unseren so diversen und Jahrhunderte lang von Rivalitäten zerrissenen Kontinent zusammenhalten kann.
Es stimmt, dass die EU Probleme hat: Sie ist immer bürokratischer geworden, sie hat sich irgendwie von seinen Bürgern entfernt, sie ist schwieriger zu verstehen. All das kann mit der Zeit gelöst werden. Aber all das reicht nicht im Ansatz, um die Tragfähigkeit des europäischen Projekts in Frage zu stellen.
Hier sehe ich meine Rolle und die meiner Generation. Wir dürfen nicht vergessen, dass die EU eine unglaublich gute Sache ist. Und wir müssen dafür kämpfen, dass die europäischen Werte beachtet werden und das europäische Projekt weitergeht.
Europa muss standhalten
Ich weiß, dass euroskeptische und extremistische Parteien immer mehr Wähler in Europa finden. Die Wirtschaftskrise, aber auch die Innenpolitik in den Mitgliedstaaten haben zur Entfremdung vieler europäischer Bürger geführt. Zu viele von uns haben den Westen satt. Zu viele sind in einem Denken gefangen, das von der These des deutschen Philosophen Oswald Spengler beeinflusst ist, der bereits vor hundert Jahren den „Untergang des Abendlandes“ voraussagte.
Der Kampf der EU muss sich gegen diese Ideen richten. Europa muss standhalten. Das ist, was ich von der EU erwarte: Dass sie ihre grundlegende Werte nicht aufgibt, dass sie sich für ihre grundsätzlich richtigen Prinzipien weiter engagiert. Das ist heute nicht einfach. Es ist nicht einfach für die europäischen Politiker, zu versuchen, die gleiche Sprache wie ihre Wähler zu sprechen. Paradoxerweise könnte es aber sein, dass die Überlappung der beiden Krisen – der in der Ukraine und der des Rechtsextremismus – die europäischen Politiker vereinigen und zu Lösungen der Probleme führen wird.
Den Druck auf Rumänien erhöhen
Ich erwarte, dass die EU den Druck auf Rumänien bei der Bekämpfung der Korruption erhöht. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die großen Reformen nicht mehr umkehrbar sind. Immer finden sich Politiker, die bereit sind, durch ein schnell und lautlos abgestimmtes Gesetz ganze Institutionen zu zerstören, um ihre eigene Haut zu retten. Doch der ständige Druck der EU hat solche Versuche scheitern lassen – zusammen mit internem Druck und dem von Rumäniens strategischem Partner, den USA.
Ich erwarte auch, dass sich die EU weiter dafür einsetzt, dass der rumänische Markt von den Verzerrungen befreit wird, die der Einmischung von staatlichen Unternehmen oder Oligarchen geschuldet sind. Diese sehr mächtigen Personen kontrollieren gleichzeitig große Geschäftsimperien, Medienkonzerne und Parteien. Sie sind eine der größten Gefahren für die Demokratie, und die EU weiß das.
Aus dem Rumänischen von Silviu Mihai