Separatisten machen Referendum fix
Im elften Stock der besetzten Gebietsverwaltung findet am Donnerstag ein Lehrstück in Donezker Volksdemokratie statt. „Einstimmig und ohne Enthaltungen“ sprechen sich die Abgeordneten für die Durchführung des für Sonntag geplanten Unabhängigkeitsreferendums aus, wie der Vorsitzende Denis Puschilin nach der Sitzung vor Journalisten erklärt.
Puschilin sieht in seinem blauen Anzug so harmlos aus wie ein Versicherungsvertreter. Er ist der gepflegte Anführer der Donezker Separatisten, die sich zur außerplanmäßigen Sitzung im elften Stock der Gebietsverwaltung getroffen haben. Am Ende des Saales erinnert ein ukrainisches Wappen daran, dass die Donezker Volksrepublik gerade einmal einen Monat alt ist – und vor einer wichtigen Entscheidung steht: Sollen Puschilin und seine Männer 3,2 Millionen Wahlberechtigte am Sonntag über die Unabhängigkeit abstimmen lassen, auch wenn sich ihr Verbündeter, der russische Präsident Wladimir Putin, am Mittwoch überraschend skeptisch über die Abhaltung des Referendums geäußert hat?
Eine halbe Stunde dauert die Sitzung, und dass sich die Donezker ihre Abstimmung nicht nehmen lassen wollen, nicht einmal von Putin, erahnt man, als hinter den verschlossenen Türen ein Jubelschrei zu hören ist. Als Puschilin das Stimmergebnis vor den Journalisten bekannt gibt, applaudieren seine Mitstreiter: ältere Männer, Kämpfer in Uniform, Politfunktionäre. Sie sind rechts und links des dunkelhaarigen Mannes aufgereiht, der am heutigen Tag des Sieges, dem 9. Mai, seinen 33. Geburtstag feiert. Es wirkt fast so, als wäre ihm das prosowjetische Engagement in die Wiege gelegt worden.
Eine Verschiebung wäre das Ende für die Separatisten
In seiner Rede sagt Puschilin: „Wenn wir die Abstimmung nicht abhalten, verlieren wir das Vertrauen der Menschen.“ Die Regierung hier begreife sich ja als „Stimme des Volkes“. Verhandlungen mit der Regierung in Kiew lehnt sie ebenso ab, wie Kiew dies tut. Allein die Abstimmung über die Unabhängigkeit könne jetzt zu politischer Entspannung führen. Ob sie das tut, ist fraglich, aber sie schafft Fakten, und das ist im Moment wichtig für die Separatisten. Würden sie die Abstimmung verschieben, wäre das ihr Ende. Konsequent haben sie die ukrainische Armee und Politik als „Faschisten“ und „Schlächter“ diskreditiert, ein Einlenken wäre eine politische Bankrotterklärung.
Nach der Entscheidung herrscht auf dem Vorplatz allgemeine Erleichterung. Der „Russische Marsch“ dröhnt aus den Lautsprechern, russische Flaggen wehen an den Fahnenmasten im Wind. Die Welt ist wieder in Ordnung in der Donezker Volksrepublik. „Wir sind nicht Putins Untergebene“, sagt Tatjana, eine Helferin, die in der Kantine im ersten Stock Suppe an die Aktivisten ausgibt. Grünen Borschtsch mit Spinat, aus einem 40 Liter großen Metallkessel. „Wir sind bereit für die Unabhängigkeit.“ Wenn es sein muss, in Eigenregie. „Der Donbass ist eine Bergarbeiter-Region. Wir haben keine Angst.“
Ein Referendum als Allheilmittel für alle möglichen Missstände
Den Bewohnern des Donbass wird die Abstimmung als Allheilmittel für alle möglichen Missstände präsentiert. „Das Referendum ist die einzige Möglichkeit, den großen Krieg zu verhindern, unseren Weg zu gehen und friedlich zu entscheiden, wie und mit wem wir in Zukunft leben wollen“, heißt es in der „Stimme des Volkes“, dem offiziellen Organ der Donezker Volksrepublik, das gratis verteilt wird. Man wollte nicht mehr länger von den Oligarchen versklaven lassen, weder mit den „Nazis“ in Kiew noch mit den Europäern zusammenarbeiten.
Allein von Russland erwartet man sich Hilfe. Der Donbass soll Mitglied der Zollunion werden, die Donezker Führung verspricht Sonderkonditionen bei Energielieferungen und staatliche Unterstützung für die in der Region so wichtige Schwerindustrie. „Hell und fröhlich“ sei die Zukunft des Donbass, sagt Wladimir Makowitsch, einer der Anführer der Separatisten.
Für das Referendum ist schon alles vorbereitet: In der Zentralen Wahlkommission in einem Nebengebäude der Gebietsverwaltung laufen die Kopierer auf Hochtouren. Sie spucken Informationsmaterial über die Abstimmung aus. 3.198.000 Stimmzettel sind bereits gedruckt, ausgeliefert in 1.200 Wahllokale in der Region.
Stimmzettel auf einfachem Papier, zwei Jahre alte Wählerlisten
Der Vorsitzende der Wahlkommission Roman Ljagin ist überzeugt, dass alle lokalen Behörden kooperativ sind. Die Stimmzettel sind nicht fälschungssicher, sondern auf einfachem Papier gedruckt, für etwas anderes habe man „kein Budget“ gehabt. Die Wählerlisten sind zwei Jahre alt, Neuwähler könnten sich an Ort und Stelle registrieren lassen. Ein offizielles Ergebnis erwartet Ljagin bis Montagmittag – „wegen der schwierigen Sicherheitslage in manchen Bezirken“. Internationale Beobachter haben sich noch nicht angekündigt – nicht einmal russische. „Aber sie sind herzlich eingeladen“, sagt Ljagin.
Eine Abstimmung in der Volksrepublik ist ziemlich unbürokratisch.