Russland durch die Hintertür
Vilnius (n-ost) Anlässlich des Empfangs bei Bundeskanzler Gerhard Schröder darf sich der litauische Präsident Rolandas Paksas für die Fortschritte Litauens auf dem Weg in die EU beglückwünschen lassen. Neben Slowenien hat die EU-Kommission Litauen in ihren Abschlussberichten an vorderste Stelle gesetzt.
In der Heimat hat der Präsident allerdings Probleme, die an den gegenwärtigen Skandal in Russland um den Oligarchen Michail Chodorkowski erinnern. Vor gut einer Woche hat der litauische Sicherheitsdienst mit der Veröffentlichung eines Berichts und zahlreicher Telefonmitschnitte ein politisches Erdbeben ausgelöst. Darin werden enge Mitarbeiter des Präsidenten in die Nähe von vermuteten Kriminellen gerückt. Das Wort „Russenmafia“ ist in aller Munde.
Der Chef des Sicherheitsdienstes hatte gewarnt, Kriminelle wollten sich bei Privatisierungen „strategischer Objekte“ engagieren und auf den Präsidenten Einfluss nehmen. In ersten Reaktionen hatten konservative Politiker den Rücktritt des Präsidenten gefordert, von einem Amtsenthebungsverfahren war die Rede.
In der Zwischenzeit hat Präsident Paksas seinen Sicherheitsberater entlassen, das Parlament hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt und der Premierminister hat erklärt, keine direkte Verwicklung des Präsidenten erkennen zu können. Auch wenn die Affäre keine weiteren Konsequenzen für Paksas haben sollte, so wirft sie ein Schlaglicht auf die Befindlichkeiten im Baltikum.
Der im Wesentlichen durch einen in Litauen tätigen Russen finanzierte Wahlkampf des amtierenden Präsidenten hat die Öffentlichkeit sensibilisiert. Nach Paksas‘ überraschendem Wahlsieg im Januar dieses Jahres wurde von einer Gefährdung des EU-Integrationsprozesses gesprochen. Die Angst sitzt tief, dass Russland – häufig gleich gesetzt mit undemokratischen oder kriminellen Strukturen – Einfluss auf die in den letzten zehn Jahren aufgebaute Demokratie nehmen und Eingang in die Wirtschaft finden könnte.
Nach einigem Aufheben hatte die litauische Politik letztes Jahr den Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der wichtigen Erdölraffinerie in Mazeikiai an den russischen Ölkonzern „Jukos“ akzeptiert. Die jüngsten Vorfälle um „Jukos“ in Russland, das damals in den litauischen Medien als „westlich orientiertes“ Unternehmen gelobt worden war, rufen nun in Litauen große Besorgnis hervor. Und weitere Privatisierungen stehen bevor: Russlands Monopolunternehmen „Gasprom“ will Anteile am staatlichen Gasversorger „Lietuvos Dujos“ erwerben, das staatliche Stromnetz muss im Rahmen des EU-Beitritts veräußert werden.
Bei der Privatisierung einer Schnapsbrennerei war unlängst das lettische Unternehmen „Latvijas Balzams“ nicht zum Zuge gekommen, obwohl es das höchste Gebot abgegeben hatte. Die litauische Privatisierungsbehörde machte unklare Eigentümerstrukturen bei dem von Russen geführten Unternehmen geltend und erklärte es für „unzuverlässig“.