Bosnien-Herzegowina

Sarajevo erhält sein Wahrzeichen zurück

Das Bild ging um die Welt: Ein Cellist spielt in der zerbombten Stadthalle Sarajevos und wird damit zum Symbol des Überlebenswillens der Menschen in der belagerten Stadt.

Der Cellist namens Vedran Smajlovic erhielt wie viele andere zwischen den Ruinen der Stadt unter schwierigsten Bedingungen das Kulturleben in Sarajevo aufrecht. Es intensivierte sich sogar während der Belagerung zwischen 1992 und 1996. Das Sarajevo Film Festival wurde geschaffen, Theater wurden eröffnet und die US-amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag ging nach Sarajevo, um bei einer Aufführung von „Warten auf Godot“ Regie zu führen.


1992 verbrannten Millionen Dokumente von unschätzbarem Wert

In der Nacht vom 25. auf den 26. August 1992 hatten Truppen der Jugoslawischen Volksarmee und Streitkräfte der Republika Srpska das Wahrzeichen Sarajevos bombardiert: die „Vijecnica“, die Stadthalle. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Nationalbibliothek Bosniens und Herzegowinas in dem Gebäude. Mit Millionen Dokumenten von unschätzbarem Wert verbrannte ein großer Teil der Geschichte der Stadt und des Landes.

„Künstlerisch und architektonisch ist die Vijecnica ein Symbol für Bosnien und Herzegowina, eine Synthese der verschiedenen Einflüsse und Kulturen, die hier leben und gelebt haben“, betont der heutige Bürgermeister von Sarajevo, Ivo Komsic. Die orientalisierende Architektur des 1894 fertiggestellten Gebäudes verbindet maurische Elemente mit denen Österreich-Ungarns – Sarajevo gehörte damals zur K.-u.-k.-Doppelmonarchie. Es bestehen Ähnlichkeiten zur neuen Synagoge in Berlin oder zum Leopoldstädter Tempel, der bis 1938 in Wien stand. Die Vijecnica verbindet christliche, muslimische und jüdische Elemente und ist so ein Paradebeispiel dafür, warum Sarajevo auch das „Jerusalem des Balkans“ genannt wird. Nach 1894 wurde sie zunächst als Rathaus genutzt, von 1949 bis zur Bombardierung 1992 als Bibliothek.

Wie kein anderes Gebäude in Sarajevo steht die Stadthalle zudem für das Leid, das diese Stadt während der drei Kriege im vergangenen Jahrhundert heimgesucht hat. Bereits im Juni 1914 fand sie sich weltweit in der Tagespresse, denn auf dem Rückweg von der Vijecnica wurden der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie vom bosnisch-serbischen Attentäter Gavrilo Princip erschossen, was einen Vorwand für den Angriff auf Serbien lieferte und schließlich Auslöser des Ersten Weltkriegs wurde.


In 18 Jahren wurde das Gebäude möglichst originalgetreu rekonstruiert

Am Freitag wird das Gebäude nun wiedereröffnet, nach 18-jährigen Bauarbeiten. Ziel war eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion, die auch den Innenraum, Skulpturen, Gemälde und Bücher umfasste. Die Kosten wurden zu großen Teilen von der EU, Österreich und der Türkei übernommen.

Abermals werden die National- und Universitätsbibliothek in dem Gebäude unterkommen, aber auch das Museum der Stadt Sarajevo und ein Teil der Stadtverwaltung. „Wir haben bewusst den 9. Mai als Termin gesetzt, um die Feierlichkeiten zum Europatag und zum Sieg über den Faschismus mit der Eröffnung zu verbinden“, erklärt Bürgermeister Ivo Komsic. „Die Vijecnica ist ein Zeichen dafür, dass sich Sarajevo immer gegen Übel und Faschismus gestellt hat.“

Die Regisseurin Mirela Trepanic, verantwortlich für das Programm zur Wiedereröffnung, versucht sich an einer Mischung aus jungen bosnischen Künstlern, auch aus der Popultur, und erfahrenen Musikern etwa von der Philharmonie: „Über 200 Künstler werden dem Publikum ein großes Spektakel bieten“, verspricht die Regisseurin. Es soll ein Dokumentarfilm über die Geschichte der Vijecnica gezeigt werden, der musikalisch von der Philharmonie begleitet wird, den Abschluss bildet eine zehnminütige audiovisuelle Kunst-Performance. Auch Vedran Smajlovic, der Cellist von Sarajevo, wird wieder dort sein und spielen.


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