Ein Deutscher singt für Lettland
Morgens um zwei geht die Party in der Altstadt von Riga erst richtig los. Ein Raunen geht durch die Menge, als ein junger Mann mit schulterlangen blonden Haaren jeden Gast an der Bar per Handschlag begrüßt. Auf ihn haben sie seit Stunden gewartet: Jöran Steinhauer, der Student aus Deutschland, der Lettland beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen vertreten will.
Er habe zwar nicht zu ihren Favoriten gezählt, sagt eine junge Lettin, die sich noch rasch ein Autogramm geben lässt. Aber jetzt wolle sie wissen, wie der Deutsche live singen kann. „Die Grenzen sind offen, und umgekehrt nehmen auch viele lettische Musiker an der Vorauswahl in Schweden oder Österreich teil.“ Ein deutscher Sänger in einer lettischen Band, das ändere auch den Musikstil, mischt sich ein Lette in Lederjacke ein. „Dieser Song ist ein richtiger Ohrwurm. Ich denke, wir haben beim Wettbewerb damit eine reale Chance.“
Seine Liebe zu Lettland hat Jöran beim Grandprix entdeckt
Während die Fans weiter warten, probt Jöran Steinhauer die letzten Akkorde im Flur. „Cake to bake“ („Kuchen backen“) singt er im Chor mit seiner lettischen Band „Aarzemnieki“ („Die Ausländer“). Jöran Steinhauer kann es noch immer nicht fassen, dass er die lettische Vorauswahl zum Grandprix gewonnen hat. Dabei gebe es tatsächlich eine gewisse Logik, lacht der 27-Jährige, denn seine Liebe zu Lettland habe er gerade beim Grandprix entdeckt, vor 14 Jahren. „Damals trat der Sänger der lettischen Band ‚Brainstorm‘ mit weißer Schlaghose auf die Bühne“, erinnert er sich. Song und Outfit machten einen tiefen Eindruck auf den Jugendlichen: „Da muss ich irgendwann mal hin, habe ich mir gesagt. Und schon 2005 reiste ich für drei Wochen als Austauschschüler nach Talsi in den Westen Lettlands.“
Gleich nach dem Abitur kam Jöran nach Lettland zurück. Er hat in Riga Friedensdienst geleistet und dabei fließend Lettisch gelernt. Mit seiner Ballade „Paldies latinam“ („Vielen Dank, kleiner Lats“) hat sich Jöran bereits im vergangenen Jahr in die Herzen der Letten gesungen. Kurz vor der Euroeinführung erzählte er liebevoll von seinen Erlebnissen mit der lettischen Währung. Dadurch zeigte er nicht nur seine Begeisterung für die baltische Republik: Jöran Steinhauer wollte die Letten auch ermutigen, voll Freude dem Euro entgegenzusehen. „Ich habe den Letten vorgeschlagen, sich vom Lats wie von einem guten Freund zu verabschieden“, sagt er. „Die Erinnerung an den Lats ist viel wichtiger als die Währung selbst.“
Hoffnung auf Stimmen aus Deutschland
Die Party in der Altstadt von Riga erreicht langsam ihren Höhepunkt. Feierlich wird unter großem Applaus Lettlands erster Eurovision-Fanklub aus der Taufe gehoben. Gründer ist der Journalist Miroslavs Kodis, der jeden Grandprix besucht. Er sei es leid, Lettland seit Jahren nicht mehr im großen Finale zu sehen, sagt Miroslavs. Der neue Fanklub werde europaweit die Werbetrommeln rühren, damit das lettische Lied bekannter wird. Da sei gerade der Sänger aus Deutschland ein Gewinn, der das lettische Lied populärer mache: „Auch die deutschen Medien berichten über Jöran und seine lettische Band. Und wenn es ,Cake to bake‘ tatsächlich ins Finale schafft, dann werden die Deutschen sicher für uns abstimmen.“
Kurz vor Sonnenaufgang ist es endlich soweit. Der neugegründete Fanklub erlebt hautnah und live das lettische Eurovisionslied und den Sänger aus Deutschland. Und die Leute freuen sich, weil Jöran Steinhauer sogar in „Cake to bake“ ein paar lettische Zeilen eingebaut hat: „Im Chorteil singen wir zepzepzep-zepdekuku“, erklärt Jöran, „das bedeutet auf Lettisch nichts anderes als back back back einen Kuchen.“ Für den Eurovison Song Contest wünscht er sich natürlich, nach dem ersten Halbfinale am heutigen Dienstag den Schritt ins Finale zu schaffen. Das Wichtigste aber sei, einen richtig guten Auftritt hinzubekommen, lacht Jöran. „Wir müssen Europa ein bisschen auf die Beine helfen, wie man auf Lettisch sagt. Wir wollen die Leute tanzen, singen und lachen lassen.“