Rumänien

Rumänien umwirbt die Moldauer

Die Chance in der Gefahr zu sehen, das fordert der rumänische Premierminister Victor Ponta. In Bezug auf die Krim-Krise sagte der Sozialdemokrat kürzlich im rumänischen Fernsehen: „Für Rumänien geht es nun darum, diesen historischen Augenblick nicht zu verpassen und das wichtigste Ziel für das Land voranzutreiben.“

Dieses Ziel ist die rasche Eingliederung der Republik Moldau in die Europäische Union und ihr Beitritt zur Nato. Rumänien wäre sogar stark genug, für die Moldau das zu leisten, was die Bundesrepublik einst für die DDR getan habe, erklärte Ponta. Allerdings müsse ein solcher Schritt von den Moldauern selbst ausgehen. Einst gehörte das Gebiet der heutigen Republik Moldau zu Rumänien, bis sich im Zweiten Weltkrieg die Sowjetunion die Region einverleibte. Erst seit 1991 existiert Moldau als eigenständiger Staat.

Die Aussagen des rumänischen Regierungschef kamen in einer politisch aufgeheizten Lage: Die Annexion der Krim durch Russland hat in der von der Republik Moldau abtrünnigen, mehrheitlich russischsprachigen Republik Transnistrien den Wunsch nach einem Anschluss an Russland neu befeuert. In der Republik Moldau geht die Angst vor einer Destabilisierung der Lage um.

Aus wirtschaftlicher Sicht erscheinen die Bemerkungen Pontas über eine Vereinigung fragwürdig. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Rumänien übersteigt die moldauische um das knapp Achtfache. Rumänien würde mit der Moldau an den ohnehin strukturschwachen Osten des Landes eine noch strukturschwächere Flanke angliedern.


Unsicherheit wegen Transnistrien und Gagausien

Zudem beherrschen Rechtsunsicherheit, fehlende Infrastruktur und politische Instabilität das Land. Unklar ist neben der Zukunft Transnistriens auch die der autonomen Region Gagausien im Süden der Republik Moldau, wo das Turkvolk der Gagausen lebt. Die Gagausen sprechen neben ihrer eigenen Sprache als Verkehrssprache Russisch. Vor kurzem haben sie in einem nicht anerkannten Referendum für den Beitritt Gagausiens zur russischen Zollunion gestimmt.

In der rumänischen Bevölkerung ist ein Zusammenschluss Rumäniens und der Moldau jedoch populär. Die letzte gemeinsame Periode von 1918 bis 1940 gilt im rumänischen kollektiven Gedächtnis als Ära des Wohlstands. Der vermeintliche Erfolg des damaligen „Großrumäniens“ zieht bis heute: 80 Prozent der Rumänen stimmten in Umfragen 2013 für eine Vereinigung. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Kosten eines solchen Schritts wird in solchen Erhebungen aber nicht gefragt.

Bislang hatte vor allem der rumänische Präsident Traian Basescu aus dem bürgerlichen Lager die Vereinigung mit der Moldau propagiert, eine Vereinigung mit den Brüdern jenseits des Flusses Pruth, wie er die Moldauer gerne nennt. Wobei die Moldauer selbst sich lieber als Moldauer sehen: Mehr als sechzig Prozent haben kürzlich in einer Umfrage geantwortet, mit der Aussage „wer rumänisch spricht, ist Rumäne“ wenig oder gar nicht einverstanden zu sein. Auch die Moldauer sprechen rumänisch, wenngleich ihre Sprache bis Ende 2013 offiziell „moldauisch“ genannt wurde.


Hunderttausende Moldauer sollen schon einen rumänischen Pass haben

Die rumänische Seite ködert die moldauische Bevölkerung schon seit Jahren mit der rumänischen Staatsbürgerschaft. Die Kriterien für die Einbürgerung sind so großzügig gesteckt, dass sie im Grunde jeder Moldauer erfüllen kann. Die Doppelstaatsbürgerschaft ermöglicht den Moldauern den Eintritt in den EU-Raum. Hunderttausende sollen einen zweiten Pass bekommen haben. Für Präsident Basescu vergrößert dies die Wählermasse. Er hatte sich Vereinigung der Länder zum persönlichen Anliegen gemacht.

Dass in Bukarest aus dieser Idee vor allem politisch Profit geschlagen wird, zeigt die Reaktion der Politiker in Chisinau. Mehrfach haben sie als Priorität die Annäherung an die EU definiert. Von einem Anschluss an Rumänien möchte der regierende Premier Iurie Leanca jedoch nichts wissen, auch mit Rücksicht auf die fragile Lage in Transnistrien und Gagausien. Nicht zuletzt zeigt sich die moldauische Bevölkerung wenig enthusiastisch. Die Mehrheit von ihnen wünscht sich keine Vereinigung.

Basescu indes hat der Kampf ermüdet. Im März gab er bekannt, wegen der fehlenden Unterstützung nicht weiter aktiv für die Vereinigung zu kämpfen.


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