Doppelter Einsatz
Mord in einem Prager Kaffeehaus. Martin Stropnicky, der tschechische Verteidigungsminister, inspiziert den Leichnam auf der Herrentoilette: „Die Knarre hat er noch gezogen, zum Schuss hat es nicht mehr gereicht.“
Seit Januar sitzt der Schauspieler als Minister für die Protestpartei Ano im Regierungskabinett. Im TV-Krimi „Kriminalka Andel“ spielt er Hauptkommissar Tomecek – zuständig für schwarzen Humor. Mordfälle löst er mit analytischem Denken und Psychologie. Aber wenn es drauf ankommt, zückt der Minister auf der Mattscheibe schon mal die Waffe oder zieht dem Verdächtigen beim Verhör die Ohren lang.
Gerade dreht der Privatsender Nova die viertel Staffel mit dem Ermittlungsteam um Hauptkommissar Tomecek. Dass Stropnicky auch als Verteidigungsminister weiter auf Verbrecherjagd geht, nutzte jetzt die Opposition zur Attacke. „Je mehr Zeit Stropnicky mit den Dreharbeiten verbringt und je weniger Zeit ihm für das Verteidigungsministerium bleibt, desto besser für die tschechische Armee und für die Zuschauer“, schoss sich Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek von der Schwarzenberg-Partei Top 09 sich auf den Minister ein.
„Ich kann nicht einfach so aussteigen“
Während Politiker aus Koalition und Opposition sich um das Ansehen des Ministeramtes und um den übervollen Terminkalender von Stropnicky sorgen, weist der alle Vorwürfe zurück. „Hinter der Fernsehproduktion stecken Investitionen in Millionenhöhe und Dutzende Arbeitsplätze. Die Verträge wurden Monate vor meinem Amtsantritt unterzeichnet. Ich kann nicht einfach so aussteigen“, sagte Stropnicky gegenüber n-ost.
Im Vergleich zu seinen Kollegen von der Ano-Partei wirkt Stropnickys doppelter Einsatz geradezu arglos. In den vorgezogenen Neuwahlen im Oktober 2013 konnte die Protestbewegung von Milliardär Andrej Babis den Politikverdruss der Tschechen in einen Überraschungserfolg ummünzen. Aus dem Stand schaffte Ano es zur zweitstärksten Kraft im Parlament und in die Regierung. Der Erfolgsslogan von Ano: „Wir sind keine Politiker, wir arbeiten.“
Ihren Sitz hat die Ano-Partei in der Zentrale von Babis’ Firmenimperium Agrofert. Umweltminister ist Richard Brabec, Mitglied des Lobbyverbandes der tschechischen Chemieindustrie und bis vor kurzem noch Leiter des nordböhmischen Fabrikriesen Lovochemie, einem Kunstdüngerhersteller aus der Agrofert-Gruppe.
Den größten Interessenskonflikt verkörpert Parteichef Babis selbst: Besitzer wichtiger Tageszeitungen und Radiostationen, Chemie-Lebensmittelmagnat und seit Anfang des Jahres Finanzminister. Auf Konsequenzen dieser Verquickung wies vor kurzem die Europaabgeordnete Inge Gräßle hin. Bei einem Arbeitsbesuch des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments in Prag erinnerte die CDU-Politikerin daran, dass Babis als Agrofert-Besitzer Millionen aus den EU-Fonds bezieht und gleichzeitig als Finanzminister Garant für die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel aus Brüssel ist. „Ich verantworte mich meinen Wählern, nicht Frau Gräßle“, konterte Babis trocken. Und die Wähler geben ihm Recht.
Stropnicky war schon Regisseur und Liedermacher, Kulturminister und Botschafter
Babis ist der beliebtester Politiker im Land, Ano liegt bei der Sonntagsfrage derzeit vorne. Laut Verteidigungsminister Stropnicky ist es normal, wenn ein Politiker in seiner früheren Arbeit aktiv bleibt. Die Mordkommission im Prager Stadtteil Smichov werde er aber ausschließlich in seiner Freizeit leiten. Bei einem Blick auf sein Portfolio will man ihm das sogar abkaufen. In 57 Lebensjahren schaffte es der heutige Verteidigungsminister zum Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, Liedermacher, Ex-Intendanten, Ex-Kulturminister, Ex-Botschafter, zweifachen Ex-Mann und vierfachen Vater.
TV-Kommissar will er aber nicht mehr lange bleiben. Mit der Produzentin habe er sich auf ein schnelles Ausscheiden von Hauptkommissar Tomecek geeinigt.