Ungarn

„Orbans Konflikt mit der EU wird andauern“

ostpol: Herr Lang, was bedeutet Orbans erneuter Wahlsieg für Europa?

Orban kann sich jetzt auf ein sehr starkes innenpolitisches Mandat berufen. Seine Legitimation ist immens und er kann seinen Kritikern nun entgegen, dass sein kontroverser Kurs zuhause mit einer klaren Mehrheit bestätigt wurde. Deshalb wird Europa es weiterhin mit einem sehr selbstbewussten Viktor Orban zu tun bekommen.

Orban sagte nach der Wahl, dass die „Ungarn gezeigt haben, dass sie in der EU bleiben wollen – aber nur mit einer nationalistischen Regierung“. Ist Orban ein Antieuropäer?

Nicht im klassischen Sinne. Er will die EU nicht offensiv umbauen, wie zum Beispiel Kaczynski in Polen. Er hat keine größeren Forderungen. Bei ihm handelt es sich eher um einen streckenweise von aggressiv-pathetischer Rhetorik überwölbten nationalen Souveränismus. Das ist die Leitlinie und das wird auch so bleiben.

Die EU hat den Umbau der ungarischen Demokratie in den letzten Jahren immer wieder heftig kritisiert, Orban reagierte kämpferisch. Hat er diesen Konflikt nun für sich entschieden?

Natürlich beansprucht Orban jetzt für sich, dass die grundlegende Erneuerung Ungarns von den Wählern gutgeheißen wurde und die dafür notwendige Machtkonzentrierung auf Kosten der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pluralität deshalb noch im grünen Bereich liegen. Aber der Konflikt mit der EU wird noch weiter andauern. Es ist ein Prozess des gegenseitigen Austestens, wie weit man gehen kann und wo rote Linien bestehen.

Welche Signalwirkungen könnte es für andere Politiker in der EU haben, dass Orban mit dieser antidemokratischen Umwälzung durchgekommen ist?

Zunächst einmal muss man ab einem bestimmten Punkt mit Gegenwind aus der EU rechnen. Doch gerade in der Peripherie der EU werden viele Politiker gemerkt haben, dass die Europäische Union es mit ihrem bestehenden Instrumentarium sehr schwer hat, in innenpolitische Prozesse der Mitgliedsstaaten zu intervenieren. Es könnte das Gefühl bleiben: Wenn man über eine vergleichbare Machtposition wie Orban verfügt, kann man auch groß angelegte und kontroverse Umwälzungen durchhalten.

Die ungarische Opposition hat lange vergeblich auf ein Machtwort aus Deutschland gehofft. Welche Außenpolitik verfolgt Angela Merkels Bundesregierung gegenüber Ungarn?

Die deutsche Außenpolitik der letzten vier Jahre war von einer kritischen Solidarität gegenüber Ungarn geprägt. Man versuchte konstruktiv auf die ungarische Regierung einzuwirken, ohne dabei zu stark in die Öffentlichkeit zu gehen. Sicherlich spielte da auch die Parteisolidarität der CDU eine Rolle. Orban weiß, dass er zu einem gewissen Grad mit der Loyalität seiner Parteifreunde in der EVP rechnen kann. Gleichzeitig hat man auch in Deutschland schnell durchschaut, dass Orban „double talk“ spricht, also Zuhause und in Europa mit unterschiedlichen Zungen spricht. Vor allem Orban kämpferische Entkolonialisierungsrhetorik gegenüber der EU, dass Ungarn keine Kolonie Brüssels sei, läuft natürlich völlig konträr zur Europapolitik aller deutschen Mainstream-Parteien.

Wie geht es jetzt weiter?

Trotz der ganzen Vorgeschichte hoffen jetzt viele darauf, dass Orban wirtschaftspolitisch berechenbarer wird und das Land nicht weiter umkrempelt. Er hat jetzt die Chance, die Phase der großen Negativschlagzeilen zu beenden und Ungarn zu konsolidieren. Ob es wirklich so kommt, wird man sehen.


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