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Warum die Osteuropäer die EU mögen

Bei den Gründungsmitgliedern hat das Projekt Europa im Ansehen stark gelitten: Inzwischen ruft die EU nur noch bei jedem dritten Deutschen, Franzosen oder Niederländer Zustimmung hervor. Vor zehn Jahren fand noch jeder zweite die EU-Mitgliedschaft seines Landes positiv.


Der Nutzen der EU ist im Osten sichtbarer

Die neuen Mitglieder im Osten bewerten die EU dagegen positiver, obwohl die Finanz- und Eurokrise auch viele von ihnen in Mitleidenschaft gezogen hat. Ausgerechnet die Bürger im ärmsten EU-Land Bulgarien schätzen mit 54 Prozent die EU am meisten, gefolgt von Polen und Rumänien. Selbst in Ungarn, wo der nationalkonservative Regierungschef Viktor Orban Stimmung gegen Europa macht, sieht fast jeder Dritte die EU positiv. Nur im traditionell nationalistischen Tschechien findet lediglich jeder Vierte die Gemeinschaft gut.

Ein Grund: Die Osteuropäer sehen die positiven Auswirkungen ihrer EU-Mitgliedschaft mit bloßem Auge. So spielen die Gelder aus den EU-Fonds für die neuen EU-Länder eine wichtigere Rolle als für die alten Staaten. „Wenn ich an einem Gebäude vorbeifahre, an dem ein Schild prangt ‚finanziert von der EU’, dann wirkt das besser, als wenn in Deutschland beispielsweise in Folge des starken Exports die Arbeitslosigkeit zurückgeht“, erklärt der Soziologe Jochen Roose von der Freien Universität Berlin. Während jeder zweite Bürger in Nettozahler-Ländern wie Deutschland oder Österreich die EU mit Geldverschwendung in Verbindung bringt, findet dies in Lettland oder Ungarn nur jeder zehnte Bürger.


Schlechtes Bild von der eigenen Regierung

Dass die Bürger im Osten die EU positiver wahrnehmen, hängt auch mit dem schlechten Bild zusammen, das sie von ihren eigenen Regierungen haben. Während im Westen die Meinung vorherrscht, die EU habe ein Demokratiedefizit, ist es im Osten genau umgekehrt: Zwei von drei Polen finden, dass die Demokratie in der EU funktioniert. In Deutschland sieht das knapp jeder zweite Bürger so.

Dagegen sind die meisten Neumitglieder mit ihren eigenen Regierungen unzufrieden: Nur 15 Prozent der Bulgaren, 20 Prozent der Slowenen und 31 Prozent der Ungarn finden, dass die Demokratie in ihrem Land funktioniert. „Die Menschen haben den Eindruck, dass die Politiker sich zu Hause nur streiten, im mythisch verklärten Westen und der EU hingegen alles besser läuft“, erklärt der Warschauer Soziologe Krzysztof Martyniak.

Die europaweite Gefahr von rechtsradikalen Parteien geht deswegen auch eher von den alten als von den neuen Mitgliedsstaaten aus. Während Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders in den Niederlanden gemeinsam in den Europawahlkampf 2014 ziehen und ein rechtes Bündnis im Europäischen Parlament schließen wollen, sind nationalistische Bewegungen in Osteuropa weniger stark.


Antieuropäische Argumente taugen im Osten weniger

Die Konrad-Adenauer-Stiftung listet in einer Studie 14 EU-Länder mit relevanten rechtspopulistischen Parteien auf, nur drei davon kommen aus Osteuropa. Nicht zu unterschätzen sind beispielsweise die antisemitische Jobbik-Partei in Ungarn und die Slowakische Nationalpartei, die sich dem Bündnis der französischen Front National und der italienischen Lega Nord angeschlossen hat. Die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski gehört ebenfalls dazu.

Selbst unter Nationalisten ist die Stimmung in Osteuropa aber weniger antieuropäisch als im Westen. Nicht zuletzt greift die Kritik am Euro dort viel weniger, weil überhaupt nur vier Länder – die Slowakei, Slowenien, Estland und Lettland – die Gemeinschaftswährung eingeführt haben. Auch das vieldiskutierte Reizthema, die Grenzen wieder stärker zu kontrollieren, taugt in Osteuropa nicht zur Stimmungsmache. Denn gerade aus diesen Ländern stammen ja die im Westen vielfach unerwünschten Arbeitsmigranten.

Die Freiheit, innerhalb der EU zu reisen und zu arbeiten, schätzen die Osteuropäer ohnehin viel höher ein als der EU-Durchschnitt von 42 Prozent. Deutlich höher als in den meisten alten EU-Ländern ist die Zustimmung in den Baltischen Staaten zur Reisefreiheit mit rund 60 Prozent, in Bulgarien mit 57 und in Polen mit 51 Prozent. „Die Migrationsmöglichkeiten sind in den neuen EU-Staaten viel bedeutsamer und werden auch mehr genutzt“, sagt Jochen Roose.

Auch der Warschauer Soziologe Martyniak unterstreicht die Bedeutung der Migration: „Menschen, die in den siebziger Jahren und früher geboren wurden, haben noch den direkten Vergleich. Viele erleben, dass auch ihr Geld im EU-Ausland mehr wert ist als vor dem EU-Beitritt“.


Dieser Text ist dem ostpol mag "Osterweiterung. Zehn Jahre in der EU" entnommen. Sie können das Themenheft hier bestellen.


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