Ungarn

„Toleranz hat keine Abstufungen“

ostpol: Ihr erster Spielfilm hatte gerade Premiere auf der Berlinale, der Kinosaal blieb auch in der Fragerunde voll. Wie haben Sie das Berlinale-Publikum erlebt?

Der ungarische Regisseur Adam Csaszi / Marcell Rev                  
Der ungarische Regisseur Adam Csaszi/
Marcell Rev

Adam Csaszi: Was mich überrascht hat ist, dass das Berliner Publikum vor allem an den politischen Aspekten interessiert war, obwohl Viharsarok („Land der Stürme“) für mich ein Liebesfilm ist. Es geht natürlich auch um Diskriminierung und vor allem um diese Hölle, die durch eine verinnerlichte Homophobie erzeugt wird. In Berlin hat man eine ganz konkrete politische Aussage entnommen und das Publikum hat überwiegend Fragen über die Lage der Homosexuellen in Ungarn gestellt. Ich wollte aber vor allem eine universale Geschichte erzählen, die uns die Mitglieder einer Minderheit näher bringt.

Ähnlich wie der ungarische Silberner-Bär-Gewinnerfilm 2012 – „Just the Wind“ von Bence Fliegauf – basiert auch Ihr Film auf einer realen Geschichte.

Csaszi: 2008 bin ich in den Nachrichten zufällig auf die Meldung über einen Mordfall in der ungarischen Puszta gestoßen. Da gab es Hinweise, dass es um eine Dreiecksbeziehung zwischen drei Männern geht. Ich fing an zu recherchieren, und bald wurde mir klar, dass Homophobie zum Mord geführt hat.
Wie in diesem realen Fall auch, kehrt in meinem Film der Hauptdarsteller aus Deutschland nach Ungarn zurück und fängt eine Liebesbeziehung mit einem Jungen aus dem Dorf an. Kurz danach mischt sich sein deutscher Freund in den Verlauf der Geschichte ein. Es ist nicht nur dieses Umfeld, das das Schwulsein nicht hinnehmen kann. Sondern Aron, einer der Hauptdarsteller, wuchs so auf, dass er seine eigene Homosexualität nicht akzeptieren konnte. Diese Geschichte führt in eine furchtbare Hölle.

Aggressivität dominiert die Konflikte, wenn Worte ausgedient haben. Das scheint typisch für Ihr Filmsetting, die ungarische Puszta, zu sein. Inwiefern definiert diese besondere Kulisse das Verhalten der Akteure?

Csaszi: Es sind keine bösen Menschen, die in Süd-Ost-Ungarn leben. Ich wollte diese Umgebung keineswegs dämonisieren. Sie urteilen nur aufgrund eines sehr geschlossenen und konservativen Wertesystems. Das zeigen auch meine langjährigen Erfahrungen, als ich da gelebt habe. Keiner hat ihnen beigebracht, wie man mit Andersartigkeit umgeht. Eine konservative Wertvorstellung ist an sich natürlich kein Problem, aber dann, wenn es in Ausgrenzung und Stigmatisierung mündet und wenn dieses Wertesystem die Vielfalt und das Anderssein abschaffen will, schon.

„Toleranz hat keine Abstufungen“ haben Sie auf der Berlinale-Pressekonferenz gesagt. Was meinen Sie damit?

Csaszi: Es gibt keine Toleranz, solange die Minderheiten in der Gesellschaft als solche stigmatisiert sind und sie nicht die gleichen Rechte haben wie der Mainstream. Gegenüber Homosexuellen ist Toleranz noch nicht ganz erreicht, auch wenn es schon Länder gibt, wo sie auf der Straße Händchen halten oder sich küssen dürfen. In Ungarn wird das zum Beispiel nicht akzeptiert. Aber Homosexuelle sollten überall die gleiche Rechte haben. Darüber wollten wir einen Dialog anstoßen.


Weitere Artikel