Kroaten stimmen über Homosexuellenrechte ab
„Das Referendum wird uns viele Jahre zurückwerfen. Ich befürchte, dass danach noch viel schlimmere Dinge kommen und Homosexuellen vieles verweigert bleiben wird,“ sagt Marina Orseg. Sie ist Stand-Up-Komikerin und lesbisch. Wenn es um das Referendum am 1. Dezember geht, in dem Bürger über die verfassungsmäßige Definition der Ehe als „Gemeinschaft zwischen Mann und Frau“ abstimmen sollen, bleibt ihr das Lachen im Hals stecken. „Mir tut es weh, dass es mit Kroatien so weit gekommen ist. Da wurde eine Aggression gegen Homosexuelle an die Oberfläche gespült, die erschreckend ist.“
Ins Leben gerufen hatte das Referendum die Bürgerinitiative „Im Namen der Familie“. Sie sammelte im Mai rund 750.000 Unterschriften für die Verankerung der heterosexuellen Ehe in der Verfassung. Damit soll verhindert werden, dass gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaften Ehe nennen dürfen. Doch wenn man die Vertreter der Initiative fragt, ob sie etwas gegen Homosexuelle haben, verneinen sie: „Hier geht es um die Frage der Ehe und nicht gegen irgendetwas,“ sagt Jelena Gazivoda, Sprecherin der Initiative.
Es geht auch um das Adoptionsrecht
Dennoch geht es bei der Debatte, die in den vergangenen Wochen die öffentliche Diskussion in Kroatien bestimmt hat, um viel mehr: um das Adoptionsrecht von Kindern für homosexuelle Paare und die gesetzliche Gleichstellung homosexueller Verbindungen mit den traditionellen. Obwohl im kroatischen Familienrecht die Ehe schon als Verbindung von Mann und Frau definiert wird, strebt „Im Namen der Familie“ die Verfassungsänderung an. „Die aktuelle Regierung und jede, die nach ihr kommt, sollte die Familie und die Ehe als Wert der kroatischen Gesellschaft betonen“, sagt Gazovida.
Laut einer Umfrage werden 68 Prozent für die verfassungsmäßige Definition der Ehe stimmen und 26 Prozent dagegen. Hinter die Initative stellten sich sowohl die konservativen Parlamentsparteien, allen voran die Oppositionspartei Kroatische Demokratische Union (HDZ), als auch die katholische Kirche. In zahlreichen Pfarreien wurden die Gläubigen aufgefordert, für die Verfassungsänderung zu stimmen. Dabei hatte die derzeitige Regierung gar nicht vor, die Ehe umzudefinieren – Kroatien will vielmehr die eingetragene Lebenspartnerschaft einführen, wie sie beispielsweise Deutschland und Österreich haben.
Der öffentliche Diskurs zeigte jedoch, dass die kroatische Gesellschaft auf eine tiefe ideologische Spaltung zusteuert, die die aktuelle Mitte-links-Regierung nicht unter Kontrolle bekommt. Vor einem Jahr agitierte die Kirche gegen die Einführung von Sexualkunde an Schulen. Nun tritt eine Initiative offiziell für die Ehe, aber praktisch gegen die Homo-Ehe ein. Beide erhielten Rückendeckung vom mächtigen kroatischen Verfassungsgericht, das den umstrittenen Unterricht kippte und im Fall des Referendums bestimmte, dass die Verfassungsänderung bei positivem Ausgang sofort erfolgen muss.
Die Regierung ist gegen die Verfassungsänderung
Die Regierung selbst ist gegen die Verfassungsänderung, da diese Minderheiten diskriminiere. Sie scheiterte allerdings mit ihrem Vorhaben, die Verfassungsänderung mit einem Trick zu verhindern, indem sie nach dem Referendum noch im Parlament darüber abstimmen lassen wollte. Doch das Verfassungsgericht verhinderte diesen Kniff. Das Aufbäumen der Regierung gegen das Referendum wurde damit im Keim erstickt. Zahlreiche Minister wie etwa Außenministerin Vesna Pusic kündigten an, dass sie gegen die Änderung stimmen werden. „Wen trifft es dann als nächstes, uns Frauen vielleicht?“, fragte Pusic in einem Interview.
Die meisten Medien positionierten sich klar für oder gegen die Referendumsfrage. Sie beschreiben die kroatische Gesellschaft als eine „Konfliktgesellschaft“, die für reale Probleme ebenso wie für die schwierige wirtschaftliche Lage keine Lösungen parat habe. Der Historiker Tvrtko Jakovina sieht das etwas anders. Er hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach gegen das Referendum ausgesprochen. „Ich glaube nicht, dass wir konfliktreicher sind als der europäische Durchschnitt. Wir sind in einigen Elementen nur primitiver.“