Rumänien

Massenhafte Tötung von Straßenhunden?

Rumänien steht in diesen Wochen am Pranger internationaler Tierschützer. Im Land würden flächendeckend Massaker gegen Straßenhunde verübt, heißt es in ihren Anklagen, sowohl Behörden als auch Privatleute würden die Tiere zu Abertausenden töten. Tierschützer demonstrieren europaweit vor rumänischen Botschaften, prominente Hundeliebhaber wie die Designerin für Hunde-Accessoires Maja von Hohenzollern bezeichnen Rumänien als „Schande Europas“, in Tierschützer-Foren wird der Umgang mit Straßenhunden nicht selten mit dem Holocaust verglichen.


Hunde dürfen laut Gesetz getötet werden

Anlass für die Protestwelle ist ein neues Gesetz, das Behörden in Rumänien die Tötung von Straßenhunden erlaubt. Es war vom Parlament Anfang September im Eilverfahren verabschiedet worden, nachdem Straßenhunde einen spielenden vierjährigen Jungen in Bukarest attackiert und totgebissen hatten – ein Fall, der landesweite Bestürzung ausgelöst hatte. Kurz darauf hatte das Verfassungsgericht in Bukarest das Gesetz für verfassungskonform erklärt. Den Bestimmungen zufolge können eingefangene Straßenhunde nun getötet werden, wenn sich innerhalb von 14 Tagen kein Besitzer für sie findet. Angewendet wird das Gesetz jedoch bisher nicht, da die Regierung noch technische Ausführungsbestimmen und veterinärmedizinische Normen festlegen und genehmigen muss.

Auch rumänische Tierschützer protestierten seit Wochen gegen das Gesetz, doch bei den lautstarken Reaktionen ihrer Kollegen aus dem Ausland ist vielen nicht wohl. Sie empfinden sie als kontraproduktiv und auch herabwürdigend. Behördliche Massaker an Hunden gebe es bisher nicht, sagt der Bukarester Tierschutz-Aktivist Kuki Barbuceanu von der internationalen Organisation „Vier Pfoten“. Allerdings seien vor allem Tierheime in der Provinz zum Teil völlig überfüllt, außerdem habe man viele Fälle von Hundetötungen durch Privatleute dokumentiert. Barbuceanu beziffert ihre Anzahl landesweit auf „einige Dutzend bis einige hundert Fälle“.


Das Problem hat dramatische Ausmaße

„Einige Reaktionen aus dem Ausland sind übertrieben“, sagt auch der Vier-Pfoten-Sprecher in Wien Gabriel Paun. „Es gibt Leute, die den Tierschutz ins Extreme treiben. Wir sind insofern auf der Seite der Mehrheit der Menschen in Rumänien, als wir ebenfalls eine Lösung des Straßenhundeproblems anstreben.“

Das Problem hat dramatische Ausmaße: Mehrere hunderttausend Straßenhunde soll es in rumänischen Städten und Gemeinden geben, auf etwa 65.000 schätzen Behörden ihre Zahl in Bukarest. Dort zählte das Anti-Tollwut-Zentrum am Institut für Infektionskrankheiten Matei Bals allein in diesem Jahr 10.000 Impfungen nach Hundebissen, im vergangenen Jahr wurden 16.000 Hauptstädter gebissen.

Als Lösung des Problems schlagen Tierschützer konsequente Sterilisierungsprogramme vor. Sie seien effektiver als das Töten, sagt der Vier-Pfoten-Sprecher Gabriel Paun. Einige Städten Rumäniens wie Kronstadt (Brasov) oder Comanesti haben sich des Hundeproblems damit weitgehend entledigt, allerdings griffen Behörden zunächst auch hier zu massenhaften Tötungen.


Geldmangel und Behördenschlendrian

Insgesamt ist es wenig wahrscheinlich, dass Rumänien sein Hundeproblem schnell löst. Schuld daran ist auch eine Mischung aus Geldmangel und Behördenschlendrian: Es gibt kaum größere Tierheime, Städte und Gemeinden haben zu wenig Personal. Ganze zwölf Hundefänger beschäftigte Bukarest bis zum Tod des kleinen Ionut, kurz nach der Hundeattacke auf ihn wurde ihre Zahl auf 44 erhöht. Zudem stehen Lokalbehörden unter Korruptionsverdacht – angeblich soll viel von dem Geld, das für Sterilisierungsmaßnahmen gedacht ist, in privaten Taschen verschwinden.

Dabei besteht nicht erst seit dem schrecklichen Tod des kleinen Ionut Handlungsbedarf: 2012 starb eine Rentnerin im nordrumänischen Sathmar nach einer Hundeattacke, zwei Monate später töteten streunende Hunde einen Sechsjährigen in einem ostrumänischen Dorf. Im Januar 2011 griffen Bukarester Straßenhunde die Angestellte einer Recycling-Firma an, drei Tage später starb sie an ihren schweren Verletzungen. Und im Januar 2006 verblutete ein japanischer Geschäftsmann in Bukarest, nachdem ihn ein Hund in die Kniekehle gebissen und dabei eine Schlagader durchtrennt hatte.


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