Ukraine

Dokufilm löst neuen Femen-Skandal aus

Der Skandal ist Femens stärkste Waffe. Mit blanker Brust attackierten die ukrainischen Aktivistinnen bereits den Papst und Kremlchef Wladimir Putin. „Unsere Nacktheit ist unsere Bombe. Wenn sie explodiert, hört man es überall“, erklärte Femen-Gründerin Hanna Huzol einmal im persönlichen Gespräch. „Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist das Wichtigste.“ Die diffuse Botschaft eines neuen Feminismus blieb stets zweitrangig.

Nun hat Femen beim Filmfest in Venedig einen Sprengsatz der anderen Art gezündet. Die Explosion droht die Fundamente der Gruppe zu zerstören. Halbnackt präsentierten die Frauen die Dokumentation „Die Ukraine ist kein Bordell“. Die Busenbilder kennt man. Doch was der Film den Premierenberichten zufolge zeigt, ist neu. Es ist demnach ein Mann, der die Frauen mit unerbittlichem Drill zu ihren Protestaktionen antreibt. Viktor Swjatski war als „Berater“ der Gruppe bekannt. Der Film aber wirft die skandalträchtige Frage auf: Steht als Mastermind ein Macho hinter Femen?


Als „öffentliche Beichte” bezeichnet die Regisseurin ihren Film

Die Aktivistinnen halten eine andere Botschaft parat. Femen habe sich von Swjatski inzwischen gelöst. Der Film zeichne diesen Akt der Befreiung von männlicher Unterdrückung nach. Als „öffentliche Beichte“ will auch die australische Regisseurin Kitty Green ihr Werk verstanden wissen. Die 28-Jährige hatte die Femen-Frauen 14 Monate lang mit der Kamera begleitet. Doch die „Beichte“ lässt selbst langjährige Beobachter und viele Anhänger von Femen ratlos zurück.

Der Titel „Die Ukraine ist kein Bordell“ erinnert an den Ausgangspunkt der Nacktproteste. Die 2008 gegründete Gruppe lehnte sich anfangs gegen Zwangsprostitution und Männerherrschaft in ihrem Heimatland auf. In Greens Film ist es allerdings der Macho Swjatski, der die jungen Frauen drillt, bis sie sich als seine „Sklavinnen“ bezeichnen. Ist das ernst zu nehmen?

Was nach dem Auftritt in Venedig bleibt, ist der Verdacht: Das Mittel ist zum Selbstzweck geworden. Die Skandalisierung ist es, die zählt. Kritiker wittern eine „reine Vermarktungsstrategie“. Tatsächlich lassen sich ernst zu nehmende politische Botschaften aus dem Wirbel um die Dokumentation kaum noch ableiten.


Viele Fragen bleiben offen

Doch es gibt noch eine andere Spur. Keine zwei Wochen ist es her, dass Sonderpolizisten die Femen-Zentrale in Kiew stürmten und Waffen fanden. Über die Hintergründe lässt sich nur spekulieren. Femen-Chefin Huzol spricht von einer „Racheaktion“ des Geheimdienstes. Unbekannte hätten die Waffen in dem Büro deponiert. Den Aktivistinnen drohen Gefängnisstrafen wie im Fall der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. Die Femen-Führung hat ihr Hauptquartier kurzerhand nach Paris verlegt.

Viele Fragen richten sich aber auch an Femen. Unklar ist, wer die spektakulären Auftritte der Gruppe in ganz Europa finanziert. „Berater“ Swjatski ist dazu nicht in der Lage. Er könnte deshalb als Strohmann bewusst in den Vordergrund gespielt worden sein. Immer wieder werden Vorwürfe laut, hinter Femen stünden milliardenschwere ukrainische Oligarchen, die dem Oppositionslager zuzuordnen seien. Ziel von Femen ist demnach die Destabilisierung der Ukraine. Vermutlich ist das eine Verschwörungstheorie. Doch ihre Existenz belegt etwas anderes: Ein echtes und klar definiertes Ziel hat Femen nicht.


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