Winzerische Missionsarbeit im Osten
Olsztyn (n-ost) Wein aus deutschen Landen trotzt der allgemeinen Wirtschaftsflaute. Um 5,6 Prozent nahmen die Einnahmen aus den Weinexporten nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes zu. Doch damit geben sich die deutschen Winzer nicht zufrieden. Ihr Blick geht gen Osten. Dort dominieren in vielen Supermarktregalen Weine aus Übersee, Südosteuropa oder Frankreich. Der Badische Weinbauverband lud Ende Juli zum ersten Mal in der polnischen Provinzhauptstadt Olsztyn zur Weinprobe ein.
Der Ermländische Erzbischof und der Universitätspräsident staunten nicht schlecht. Wein um zehn Uhr morgens. Nicht nur bei den zahlreich geladenen Gästen der 170000 Einwohnerstadt im Nordosten Polens löste dieser frühe Alkoholkonsum ungläubiges Kopfschütteln hervor. Auch die Delegationsteilnehmer aus den sieben Partnerstädten Olsztyns, die anlässlich eines großen Stadtfestes in der Hauptstadt von Ermland und Masuren im Hotel Warminski zusammenkamen, hatten ihre Bedenken. Die zerstreute der Präsident des Badischen Weinbauverbandes Gerhard Hurst jedoch schnell. Er zitierte den Alt-Bundespräsidenten Theodor Heuss: „Wein schmeckt rund um die Uhr und am besten gleich zum Frühstück. Dann schmeckt auch der Kaffee“.
Was dann folgte, wird den Olsztyner Stadtoberen wohl nachhaltig in Erinnerung bleiben. Angefangen vom 2001er Rammersweierer, einem trockenen Spätburgunder Rotwein über den 2001er Riesling „SL“ bis hin zum 2001er Oetlinger Sonnhole, einem Gewürztraminer. Zwölf erlesene edle Tropfen aus badischen Gefilden, die der oberste Weinkenner Badens den Probanden schmackhaft machte. Unter Hursts fachmännischer Anleitung schwenkten die Teilnehmer hingebungsvoll ihre Gläser, begaben sich auf die Suche nach dem Geruch „reifer Fruchtaromen nach Maracuja und floraler Töne wie Jasmin“. Polen, Ukrainer und Russen rätselten: War der Geschmack nun „gehaltvoll dicht, mit einem kräftigen Körper und einem wärmenden Abgang“ oder bot der Wein ein „ausgewogenes Spiel von Säure und Süße“. Eingebettet in Zitate von Goethe und Thomas von Aquin gab der Präsident sein Bestes. Mit Erfolg, denn zwei Stunden später waren sich alle einig. „Es war ein wunderbares, ein entzückendes Erlebnis. Ich kam mir vor wie in einem Revuetheater“, gestand der Olsztyner Stadtpräsident Czeslaw Jerzy Malkowski.
144 Flaschen badischen Weines fanden so ihre Abnehmer und wahrscheinlich auch viele neue Freunde. „Ich hoffe, wir konnten unsere polnischen Freunde überzeugen, dass Wein ein sehr edles und geselliges Getränk ist und einen besonderen Genuss zu einem besonderen Essen gibt“, sagte die Offenburger Oberbürgermeisterin Edith Schreiner. „Der Tag sollte dazu dienen, die Menschen mit einem wunderbaren Produkt bekannt zu machen“, meinte auch Georg Hurst.. Die „Missionsarbeit“, wie der oberste Winzer des drittgrößten Weinbaugebietes Deutschlands seine zweistündigen Vorführkünste im ehemaligen südlichen Ostpreußen bezeichnete, könnte sich in Zukunft bezahlt machen. 33000 Hektoliter Wein exportierte Deutschland im Jahr 2001 in das 38-Millionen-Einwohner Land Polen. 4000 Hektoliter weniger als in das beschauliche Lettland mit seinen 2,4 Millionen Einwohnern. Wenig Wunder, dass die deutschen Weinbauern große Hoffnungen auf einen kaufkräftigen Absatzmarkt bei ihrem künftigen östlichen EU-Nachbarn setzen. Und auch wenn der Rebsaft aus dem Südwesten Deutschlands bei einer zweiten nachmittäglichen Darreichung in der Altstadt nicht alle Bewohner Olsztyns überzeugen konnte und manch Ermländer weiterhin Bier oder Wodka bevorzugen wird, die Vermutung des Stadtpräsidenten Malkowski könnte sich bewahrheiten. „Der badische Wein wird für immer in Olsztyn bleiben“.