Gold gegen Zyanid
„Sie nehmen unser Gold, wir kriegen Zyanid“, rufen die Demonstranten. Auf Plakaten steht zu lesen: „Landesverrat für eine Handvoll Gold!“ oder „Kultur statt Zyanid!“. Umweltaktivisten protestieren ebenso wie Eltern mit Kindern, Studenten, ärmlich gekleidete Rentner, Künstler und gut situierte Mittelklassebürger.
Rumänien erlebt derzeit die größten Umweltdemonstrationen seiner postkommunistischen Geschichte: Landesweit gingen am Sonntag Tausende Menschen gegen das umstrittene Goldbergbau-Projekt im Karpaten-Ort Rosia Montana auf die Straßen. Allein in Bukarest protestierten am Sonntag bis zu 5.000 Menschen und blockierten bis Montagmorgen Teile der Innenstadt. Umweltaktivisten haben auf einem zentralen Platz in der rumänischen Hauptstadt ein Camp errichtet, auch für die kommende Tage rechnet die Polizei jeweils ab den Nachmittagsstunden mit Massendemonstrationen.
Die Regierung stellt sich scheinbar auf die Seite der Demonstranten
Zu den Protesten aufgerufen hatten rumänische Umweltorganisationen, nachdem die Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta nach jahrelangen Verzögerungen Anfang vergangener Woche grünes Licht für das milliardenschwere Goldbergbau-Projekt von Rosia Montana gegeben hatte. Das Gesetzesvorhaben muss nun noch vom Parlament verabschiedet werden.
Staatspräsident Traian Basescu, der bisher ein expliziter Befürworter des Projektes war, erklärte am Montag, er halte die Proteste für berechtigt. Denkbar sei, eine Volksabstimmung über das Vorhaben auszurufen. Zuvor hatte bereits der Regierungschef Victor Ponta einen bizarr anmutenden Rückzieher gemacht. Als Ministerpräsident sei er verpflichtet, das Projekt zu fördern, so Ponta, persönlich sei er jedoch dagegen, deshalb werde er im Parlament dagegen stimmen. Die Abgeordneten der Regierungsmehrheit im Parlament rief Ponta ausdrücklich dazu auf, nur nach ihrem eigenen Gewissen abzustimmen. Ein Termin für die Abstimmung steht noch nicht fest.
Bewohner müssten ihre Grunddstücke verkaufen
Mit dem Projekt will die kanadisch-rumänische Firma Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) in dem Dorf Rosia Montana (dt. Goldbach) im Siebenbürgischen Erzgebirge 300 Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber durch Zyanidauslaugung extrahieren. Der Ort gilt als die größte Goldlagerstätte Europas. Die Förderung soll ab 2016 beginnen, Schätzungen zufolge soll das Projekt einen Gewinn von 2,3 Milliarden Dollar erbringen.
Hauptinvestoren der RMGC sind unter anderem die Milliardäre John Paulson und Beny Steinmetz. Trotz fehlender Genehmigungen hat das Unternehmen bereits mehrere hundert Millionen Dollar investiert und einen Großteil der Bewohner von Rosia Montana umgesiedelt. Einige Bewohner weigern sich jedoch, ihre Grundstücke und Immobilien an die RMGC zu verkaufen.
Für das Projekt müsste das Tal um das Dorf Rosia Montana komplett geräumt werden, vor allem um Platz für riesige Staubecken zu schaffen, in denen zyanid- und schwermetallhaltige Abwässer und Schlämme gelagert werden. Umweltschützer befürchten, dass dadurch das Grundwasser verseucht wird. Außerdem warnen sie davor, dass die permanenten Sprengungen in der Gegend die Dämme der Staubecken zum Einstürzen bringen könnten.
Zyanid verursachte im Jahr 2000 eine Umweltkatastrophe
Bei einem Zyanid-Unglück im Jahr 2000 im nordrumänischen Baia Mare waren nach tagelangen Regenfällen Dämme eines Staubeckens gebrochen, dabei waren 100.000 Tonnen hoch zyanid- und schwermetallhaltiger Schlämme in die Theiß und die Donau geflossen und hatten eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der europäischen Geschichte verursacht.
Seitdem ist die Mehrheit der Rumänen strikt gegen Goldabbau durch Zyanid-Laugerei. Die Rosia Montana Gold Corporation hat in den vergangenen Jahren viel Geld in PR-Kampagnen investiert, um die rumänische Öffentlichkeit vom Nutzen des Projekts und seiner Umweltverträglichkeit zu überzeugen. Mutmaßlich sollen auch Schmiergelder an zahlreiche Politiker geflossen sein.
Tatsächlich haben viele rumänische Politiker in den vergangenen Jahren in Bezug auf das Projekt überraschende Kehrtwenden vollzogen, so etwa der Regierungschef Victor Ponta, einst ein klarer Gegner des Vorhabens. Auch viele Umweltdemonstranten sind von den Korruptionsvorwürfen überzeugt: „Regierung und Opposition, ein und derselbe Sumpf!“, skandierten Protestler am Sonntag vor dem Bukarester Regierungsgebäude.