Regenbogenfamilien kämpfen um Gleichberechtigung
Petra und Helena reden und reden. Darüber, dass Helena wohl mit einem Mann leben würde, wenn sie nicht in Petra verliebt wäre. Darüber, wie Helena in den Wehen Petra angeschrien hat. Solle doch sie das gemeinsame Kind zur Welt bringen. Und über ihre größte Angst: Dass jemand ihnen ihre zwei kleinen Töchter wegnehmen könnte.
Im Karohemd sitzt Helena Polaskova in ihrer hellen Dreizimmerwohnung in einem Prager Plattenbau. Die einjährige Anicka brabbelt auf ihrem Schoß. Helena dreht an ihrem Verlobungsring an der rechten Hand und sagt: „Die Leute denken: Eine andere sexuelle Orientierung, da laufen irgendwelche Orgien ab. Homosexuelle können keine normalen Eltern sein.“
Adoptionsverbot für homosexuelle Paare
Ihre Partnerin Petra Hanzelinova trägt ihre brünetten Haare zum Zopf gebunden. „Sollen sie uns doch besuchen und sehen, wie wir leben“, fordert die 33-Jährige. Kacka, drei Jahre alt, traut sich langsam aus dem bunten Zelt, neben dem sich im Wohnzimmer die Bauklötze türmen. Für Helena ist Petra ihre „Mama“. Helena nennt sie „Maminka“.
Helena und Petra leben seit 13 Jahren zusammen. Schwanger wurde Helena durch eine künstliche Befruchtung. Für Homosexuelle ist das in Tschechien illegal. Sobald jemand in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, darf er auch kein Kind mehr adoptieren.
Jetzt soll ein Gesetzesentwurf gleichgeschlechtlichen Paaren die Stiefkindadoption erlauben. In wenigen Wochen wird das Parlament darüber abstimmen. Dann könnten Homosexuelle im Rahmen einer eingetragenen Partnerschaft das leibliche Kind ihres Partners adoptieren. In Deutschland und in anderen europäischen Ländern ist das bereits möglich.
Bei den Kindern hört die Toleranz auf
Massendemonstrationen wie etwa gegen die Homoehe in Paris kann sich die Initiatorin des Gesetzes Martina Stepankova von der Organisation PROUD in Prag nicht vorstellen. 2006 führte Tschechien die eingetragene Lebenspartnerschaft ein – ohne große Proteste. Damals war das Land ein Vorreiter bei der Gleichstellung von Homosexuellen in Osteuropa. Allerdings unter einer Bedingung: Adoptionsverbot. Daran entzündet sich der aktuelle Streit.
Das Verbot diskriminiere eine sexuelle Minderheit und verstoße gegen die EU-Grundrechtecharta, sagen Kritiker. Vor allem aber gehe es um das Wohl von bis zu 2.000 Kindern, die von gleichgeschlechtlichen Paaren erzogen werden. Ihre Situation soll rechtlich geklärt werden. „Sie sollen Sicherheit haben, dass sie nicht aus ihrer Familie gerissen werden, sobald dem leiblichen Elternteil etwas passiert“, erklärt Martina Stepankova.
Doch die Skepsis ist groß. Ein Prager Familienpsychologe und ehemaliger Gutachter für Adoptiveltern, der seinen Namen nicht nennen möchte, sagt, vielen Homosexuellen gehe es um egoistische Ziele – darum, sich gleichberechtigt zu fühlen. „Als heterosexueller Psychologe traue ich mir nicht zu, einen Homosexuellen zu beurteilen.“ Zu verschlossen sei die Community, zu unstetig der Lebenswandel von Schwulen, behauptet der Psychologe.
Der Arzt kann Petra die Auskunft verweigern
Petra Hanzelinova bringen solche Argumente auf die Palme. Sie versteht nicht, warum sie weniger Recht auf Kinder habe als beispielsweise ein Mann, der seine Frau schlägt. Sie nennt die Dinge gerne beim Namen: „Wenn ich einen Pimmel hätte, dann würde keiner nachfragen“.
Die kleine Anicka schreit, sie hat sich den Kopf am Tisch gestoßen. Die Mütter springen auf. Einige Küsschen und die Welt ist wieder heil. Bisher hätten sie Glück gehabt, positive Erfahrungen gemacht – mit den Nachbarn, den Ärzten. Es ist die Unsicherheit, die sie stört. Wenn Kacka im Krankenhaus ist, dann kann der Arzt Petra die Auskunft verweigern, weil sie nicht als Elternteil anerkannt ist. Jederzeit könne jemand das Sozialamt in ihre Wohnung schicken.
Ob der Gesetzesentwurf zur Stiefkindadoption verabschiedet wird, ist unsicher. Laut einer Studie der Meinungsforscher von CVVM sind sechzig Prozent der Tschechen gegen die Einführung eines Adoptionsrechts für gleichgeschlechtliche Paare. Die Gegner argumentieren gerne mit der Natur: „Die einzigen, die ein Recht haben, Kinder zu erziehen, sind Mann und Frau“, sagte Boris Sastny, Abgeordneter für die Bürgerdemokraten, der Zeitung „Pravo“, „denn im Reich der Säugetiere können nur Männchen und Weibchen Kinder erzeugen.“ Auch die Konservativen der Schwarzenberg-Partei TOP 09 reagieren bislang verhalten.
Petra und Helena hoffen, dass ihr Familienmodell bald legal wird. Dann wollen sie ihre Partnerschaft eintragen lassen, Petra ihre zwei Kinder adoptieren. Wenn Anicka einmal fragen wird, wie sie entstanden ist, wird sie antworten: „Aus Liebe. Und mit Hilfe des Doktors.“