Kroatien

Die vergessene deutsche Minderheit

Wenn in Vukovar der Chor „Drei Rosen“ beim jährlichen Schwabenball der deutschen Minderheit zusammenkommt und alte Lieder singt, dann ist das für Dara Mayer Heimat. Sie ist Vorsitzende des Vereins der Deutschen und Österreicher in Vukovar und freut sich auf den EU-Beitritt Kroatiens: „Es ist ein wunderschönes Gefühl, dass wir bald wieder ein Teil dieser großen Gemeinschaft sind.“

In Vukovar selbst bekennen sich nur noch knapp 200 Menschen zur deutschen Minderheit, die vor zehn Generationen hier das Gebiet besiedelte. „Früher waren es viel, viel mehr“, weiß Mayer. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten rund 500.000 Jugoslawiendeutsche auf dem Gebiet des Königreichs Jugoslawien. Heute sind es nach Flucht und Vertreibung, aber auch Internierungen insgesamt noch rund 10.000 Jugoslawiendeutsche – rund 3.000 auf dem Gebiet Kroatiens.


Viele trauten sich nicht, Deutsch zu sprechen

Von dem Einschnitt, den Krieg und Verfolgung gebracht haben, erholte sich die Gemeinschaft nur langsam. „Viele trauten sich über Jahre hinweg nicht, Deutsch zu sprechen oder zu ihrer Abstammung zu stehen“, sagt Renata Trischler, Geschäftsführerin der Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien mit Sitz in Osijek. Erst als Kroatien 1991 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, bekannten sich auch wieder mehr zu ihrer deutschen Abstammung. Die Minderheit der Deutschen und Österreicher ist heute außerdem offiziell anerkannt und hat zusammen mit anderen Minderheiten einen Sitz im kroatischen Parlament.

In der Zwischenzeit waren jedoch viele alte Bräuche und auch die deutsche Sprache immer mehr in Vergessenheit geraten. Die deutsche Sprache zu fördern, ist dem Verband deshalb ein zentrales Anliegen. „Vor dem Krieg wurde auf jeder Straße, in jedem Geschäft Deutsch gesprochen – heute sprechen wir auch untereinander Kroatisch“, so Trischler. Ein Grund, warum die Landsmannschaft in einer Schule jeden Samstag Deutschkurse für Kinder eingerichtet hat. Jetzt lernen hier 18 Kinder wieder Deutsch.


„Bis 2008 waren wir für Berlin unbekannt, jetzt werden auch wir wahrgenommen“

Trischler organisiert auch die internationalen Theatertage in Osijek, bei denen nur deutschsprachige Gruppen auftreten – ganz in der Tradition des deutschen Theaters, das in Osijek bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts existierte. Oder die wissenschaftliche Tagung der Deutschen und Österreicher in Kroatien. Für diese Projekte erhofft sie Unterstützung – unter anderem von der EU. Doch die Bürokratie bereitet dem Verein Schwierigkeiten. „Wir haben nicht das Personal, um die Anträge zu schreiben“, so Trischler.

Seit kurzem erhalten sie auch aus Deutschland Unterstützung: „Bis 2008 waren wir für Berlin unbekannt, jetzt werden auch wir wahrgenommen“, freut sich die Geschäftsführerin. Nach dem EU-Beitritt erwartet sie jedoch keine große Auswanderungswelle. „Es werden nur wenige Deutschstämmige nach Deutschland gehen“, vermutet Trischler. Wer gehen wollte, der sei bereits gegangen. „Aber wir hoffen, dass sich wieder mehr zu ihrer deutschen Abstammung bekennen, und dass sie wieder mehr in den Blick ihrer Landsleute in Deutschland kommen.“

Dara Mayer in Vukovar hat dagegen einen persönlichen Wunsch, den sie mit dem EU-Beitritt verbindet: Zwar lässt das deutsche Recht eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht zu, doch „es wäre für mich von großer Bedeutung, wenn ich auch einen deutschen Pass bekäme“, sagt sie. Nach Deutschland auswandern möchte sie jedoch nicht, dazu ist Kroatien viel zu sehr ihre Heimat. Aber: „Der Pass wäre für mich der Beweis, dass ich zu diesem Volk gehöre. Die deutsche Minderheit in Kroatien darf nicht vergessen werden.“


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