Tschechien

Tschechen hoffen auf Ende der Korruption

In Prag muss man schon vor dem Fernseher sitzen, um etwas von der Regierungskrise mitzubekommen. Vor der Burg jedenfalls herrscht eitel Sonnenschein: Kein Wölkchen am tiefblauen Himmel, im Tal glitzert die Moldau, eine Handvoll Touristen lässt die Kameras klicken.

Nur vor dem Regierungssitz unterhalb der Burg haben ein paar Bürgerinitiativen ihre Transparente aufgestellt. Einige hundert Demonstranten fordern die Auflösung des Parlaments. Das sind wenige, gemessen daran, dass gerade der schwerste Politskandal seit dem Ende des Kommunismus das Land erschüttert. „Es scheint die Meinung zurückzukehren, Politik sei nur die Sache von denen da oben, etwas, das man nicht beeinflussen kann“, sagt einer der Veranstalter, der Soziologe Ondrej Lansky.


Jede Woche eine Schmiergeldaffäre

Am Montag war Premierminister Peter Necas zurückgetreten. Nach einer spektakulären Großrazzia in Ministerien, in den Büros von Lobbyisten und im Regierungsamt hatte die Sondereinheit für Korruptionsbekämpfung ein Netzwerk um die Regierungspartei ODS auffliegen lassen. Im Mittelpunkt des Komplotts: die engste Mitarbeiterin und Geliebte des Premierministers Jana Nagyova. Necas zog Konsequenzen. Die Mitte-Rechts-Regierung möchte nun mit einem neuen Premier weiter regieren, die Opposition fordert Neuwahlen.

Die Tschechen sind einiges gewohnt. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass eine neue Schmiergeldaffäre Schlagzeilen macht. Doch dass in letzter Zeit immer öfter auch aktive Politiker zur Verantwortung gezogen werden, ist für viele Tschechen eine gute Nachricht. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut „Median“ für die Zeitung „Mlada fronta dnes“ beurteilt mehr als die Hälfte der Bevölkerung die Polizeirazzia als positiv.

Der Großteil der Bevölkerung allerdings befindet sich irgendwo zwischen Schock und Resignation. Wer tschechische Wutbürger sucht, muss schon genau hinsehen. Vor der Burg findet man genau einen. Er trägt eine Sonnenbrille und möchte anonym bleiben. Er steht da neben der reglosen Burgwacht, in der Hand eine tschechische Trikolore mit Aufschriften wie: „Rechte Bolschewiken, verzieht euch“. Geht es nach dem Mittfünfziger, dann hat die Regierung schon längst jegliche Legitimität verloren.

Für seine Meinung muss er sich von einem Rentnerpaar als Landesverräter beschimpfen lassen: Mit Neuwahlen und folglich einer sozialdemokratischen Regierung, womöglich noch mit Unterstützung der Kommunisten, würde alles noch schlimmer. Die ergraute Dame redet sich in Rage und hebt den Zeigefinger. Korrupt seien sowieso alle Politiker.


Necas ließ die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen

Auch die Filmproduzentin Pavlina Kalandrova wollte für Neuwahlen auf die Straße gehen. Die 33-Jährige sieht sich als engagierte Bürgerin. Im Moment aber hat selbst sie die Nase voll.
„Die sollen uns nicht schon wieder – und dann auch noch zum vorgezogenen Termin – zwingen, ihren Vorwahl-Quatsch anzuhören und begeistert zu den Wahlen zu gehen!“

Dass sich gerade „Saubermann“ Necas im Netz einer emanzipierten Korruptionspolizei verfing, ist wohl das größte Paradox der Politaffäre. Viele sind dennoch froh darüber. „Petr Necas geht in die Geschichte als derjenige ein, der die Polizei und die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen ließ“, sagt Ondrej Kundra, Journalist bei der Zeitschrift „Respekt“. Die Enthüllungen der Polizei seien zwar bitter, aber nötig. „Tschechien geht jetzt in die richtige Richtung“, meint Kundra.


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