Ungarn

Minister will Sonderschulen für Roma

Erst vor kurzem hat sie wieder eine dieser Schulen besichtigt, auf die nur Roma-Kinder gehen. In einem Dorf in Südostungarn. Seit dort ein rechtsextremer Bürgermeister amtiere, sagt Erzsebet Mohacsi, ginge es für Roma-Kinder bergab. „Ursprünglich war es eine akzeptable Schule“, erzählt die 40-jährige Sozialpädagogin. „Inzwischen werden die Kinder in zwei Räumen zusammen gepfercht, angeblich um Heizkosten zu sparen, die Turnhalle und Schulcomputer werden nicht mehr benutzt.“

Erzsebet Mohacsi, 40, leitet die ungarische Stiftung „Eine Chance für benachteiligte Kinder“ (CFCF). Seit Jahren kämpft die Organisation gegen die in Ungarn illegale und dennoch weit verbreitete Trennung von Nicht-Roma und Roma im Schulwesen, hauptsächlich vor Gericht. Viele Verfahren gewann die CFCF, Anfang Januar hatte die Stiftung sogar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Erfolg. Der verurteilte den ungarischen Staat wegen der unverhältnismäßig hohen Zahl von Roma-Kindern, die jedes Jahr zu geistig Minderbemittelten erklärt und dann in Sonderschulen abgeschoben werden.


Empörung über die Aufhebung des Gesetzes

In Ungarn ist die Handhabe der Stiftung in erster Linie das seit 2003 geltende Antidiskriminierungsgesetz, das Segregation von Schulkindern und ein Separat-Schulwesen verbietet. Dieses Verbot will der zuständige Minister für Humanressourcen Zoltan Balog nun abschaffen. Er glaubt, so der Minister im Gespräch, dass es in „begründeten Einzelfällen angebracht“ ist, Kinder in „ihrem eigenen sozialen und ethnischen Kreis“ zu unterrichten, wenn ihnen dies „bessere Integrationschancen gibt, als wenn sie unvorbereitet mit anderen Kindern gemischt werden“. Kürzlich schlug Balog deshalb eine Gesetzesergänzung in Form eines Halbsatzes vor. Demzufolge soll die Trennung von Schulkindern erlaubt sein, wenn sie „nach sachgerechter Einschätzung auf die Förderung der notwendigen gesellschaftlichen Angleichung ausgerichtet ist“.

Ungarische Bürgerechtler und Roma-Aktivisten sind empört über die geplante Aufhebung des Segregationsverbotes. Gegen die Pläne von Balog demonstrierten vor einer Woche mehrere hundert Menschen vor dem Budapester Gebäude des Ministeriums für Humanressourcen. Das Motto: „Gemeinsame Schulen in einem gemeinsamen Land!“

Doch nicht nur die geplante Gesetzesänderung rief den Protest auf den Plan. Zoltan Balog unterstützt derzeit auch eine Roma-Sonderschule mit besonderem persönlichem Einsatz: die Miklos-Soja-Grundschule in einer mehrheitlich von Roma bewohnten Siedlung am Rande der ostungarischen Stadt Nyiregyhaza. 2007 wegen Segregation geschlossen, wurde sie im September 2011 von der Griechisch-Katholischen Kirche Ungarns neu eröffnet. Seitdem prozessiert die CFCF für die Schließung der Schule. Zoltan Balog hält sie jedoch für ein Mustermodell, deshalb sagte er kürzlich anlässlich eines Prozesstermins als Zeuge für sie aus.


„Legalisierung der Segregation ist rassistisch und unsinnig“

Die Kirche betreibe nicht weit entfernt eine weitere Grundschule für ungarische Kinder, dorthin könnten ja auch die Roma Kinder gehen, hält Erszebet Mohacsi dagegen: „Schultrennung bleibt für die meisten Roma-Kinder, die sie erlebt haben, zeitlebens ein Stigma, und nirgendwo in der Pädagogik-Lehre wird Segregation empfohlen.“

Inzwischen ist die Miklos-Soja-Schule zu einer Art Symbol im Segregationsstreit geworden. Der Minister hat erst einmal eingelenkt. Er zog seine Gesetzesänderung vorerst zurück, dafür musste die CFCF versprechen, den Prozess um die Schließung der Miklos-Soja-Schule ruhen zu lassen. Für diese Woche hat Zoltan Balog Bürgerrechtler und Roma-Aktivisten zu einem Rund-Tisch-Gespräch über die „gesellschaftliche Angleichung von Roma“ eingeladen. Er lässt jedoch im Interview keinen Zweifel daran, dass er grundsätzlich hinter seinem Vorhaben steht. „Es geht mir nicht um Segregation, auch ich will die Sonderschulen abschaffen“, sagt Balog. „Aber die Leute, die nicht das Positive an meiner Initiative sehen, sind blind.“

Für Erzsebet Mohacsi hingegen ist klar: „Es ist nicht nur rassistisch, sondern auch unsinnig, die Segregation zu legalisieren. Es wäre billiger für den Staat, die Roma-Sonderschulen abzuschaffen und die Förderung von benachteiligten Kindern an gemeinsamen Schulen zu finanzieren.“


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