Rumänien

Mit Puppen gegen Vorurteile

Dorin Cioaba ist ein gefragter Mann: Er ist Prinz, Richter und Vereinsvorsitzender in Personalunion. Der Verein, den er leitet, heißt „Verein für den Schutz der Rechte der Roma“. Zum Vereinsgebäude gelangt man über eine unasphaltierte Straße im Hermanstädter Viertel Neppendorf (rumänisch Tumisor). Auf dem Dach wehen die blau-grüne Roma-Fahne sowie die Fahnen Rumäniens und der Europäischen Union. An der Außenwand ist eine Plakette angebracht, auf ihr steht „Stabor“ – der traditionelle Gerichtshof der Roma.

Neben dem Eingang steht eine kleine Kutsche, vor die zwei Holzochsen gespannt sind. Die Zügel haben zwei Puppen in der Hand. Lulica und Barculica sind 80 Zentimeter groß und nach Vorfahren der Cioba-Familie benannt. Besonders Lulica, die weibliche Puppe, hat es zu gewisser Bekanntheit und einer eigenen Facebook-Seite gebracht.

„Der Chef ist noch nicht da“, sagt eine Sekretärin. Beim Warten fällt ein Büro auf, das zum Souvenirshop umgebaut ist. Hier warten etwa 20 Lulicas und drei Barculicas auf ihre Käufer. Jede dieser Puppen ist ein Einzelstück mit handgenähter Tracht und dem traditionellen Kopfschmuck der Roma.

Inzwischen ist auch Dorin Cioaba eingetroffen, er lädt in sein Büro. In den Regalen stehen neben einigen Puppen auch Jura-Bücher, an der Wand sind mehrere Abbildungen des Eifelturms zu sehen, dazu eine Kristalltrophäe. „Ende des vergangenen Jahres haben wir von der rumänischen Regierung für die Wiederbelebung der Roma-Traditionen einen Preis erhalten. Zu uns gehört auch der Roma-Gerichtshof – der Stabor. Für das Richteramt habe ich Jura studiert, ich will ein moderner Richter sein. Außerdem haben wir einen Kindergarten gegründet, in dem in der Sprache der Roma, Romani, unterrichtet wird.“ Allerdings ist weder das Gericht der Roma noch die Königsfamilie vom rumänischen Staat anerkannt.


Die Puppe soll die eigene Identität stärken

Lulica feierte am Roma-Tag am 8. April ihren ersten Geburtstag. Ihr Erfolg reicht sogar über die Landesgrenzen hinaus. „Diese Puppe hat gleich mehrere Aufgaben. Auf der einen Seite soll sie Kindern und Jugendlichen die eigene Tradition näher bringen. Auf der anderen Seite können die rumänischen Kinder, die eine solche Puppe zu Hause haben, sagen: Ich habe auch eine Zigeuner-Puppe.“

Aus Dorin Cioabas Mund klingt das Wort „Zigeuner“ ganz natürlich. „Integration scheitert oft schon im Kindesalter. Beispielsweise wenn rumänische Eltern ihren Kindern drohen, von Roma abgeholt zu werden, wenn sie sich nicht benehmen. Vielleicht kann ja diese Puppe dazu beitragen, Vorurteile zwischen der rumänischen Bevölkerung und unserer Minderheit abzubauen.“


Auch die Roma-Tracht verkauft sich gut

Neben den Puppen verkaufen sich auch die traditionellen Kleidungsstücke gut – vor Weihnachten haben besonders Deutsche hier eingekauft. Eine Puppe kostet 35 Euro, das Paar 55 Euro. Bisweilen scheitert der Kauf aber an der Größe der Puppen, die für manchen Touristenkoffer zu groß sind. So sollen bald auch kleinere Puppen hergestellt werden.

Für die Entwicklung der Roma hat Dorin Cioba klare Vorstellungen: „Die Roma-Gesellschaft muss sich natürlich mit der Zeit entwickeln, unsere Kinder sollen aber auch den eigenen Traditionen und Bräuchen treubleiben.“ Die Königsfamilie wird weiterhin auf ihre Puppen bauen und Dorin Cioaba hofft, dass sein 17-jähriger Sohn ihm eine Enkelin schenken wird, die auch mit Lulica und Barculica spielt.


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