Kroatien

Kroatisches Tagebuch: Ein besserer Ort

Als ich mich letztens nach meiner Cousine erkundigte, hieß es, sie sei in Irland. Sie kellnert nun in einem Pub in Dublin – nachdem sie, Akademikerin mit guten Fremdsprachenkenntnissen, mehr als ein Jahr arbeitslos war. Davor arbeitete sie in irgendwelchen unterbezahlten Jobs, die nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hatten. Als ich in dieser Zeit mit ihrer Mutter telefonierte, wusste sie nicht, wohin mit ihrem Kummer: Ihre Tochter werde noch verrückt, sagte sie. Sie sei ganz abgemagert, vor Stress, einen Job zu finden.


45

Ganz normal ist es nun in kroatischen Familien geworden, dass die Eltern arbeiten und ihre arbeitslosen, erwachsenen Kinder, Schwiegersöhne und Töchter weiter unterstützen. Im „Hotel Mama“ zu wohnen, ist hier kein Zeichen von Bequemlichkeit, sondern bittere Notwendigkeit.


Wowereit und die überfüllten Cafes in Zagreb

Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ergab, dass nur etwa 25 Prozent der Jungen im Ausland arbeiten wollen. Im Jahr 1999 waren es noch 61 Prozent. Das ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass Kroatien zu einem besseren Ort geworden ist, in dem man bleiben will. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern, in denen die Krise ebenfalls voll zugeschlagen hat, ist es das bestimmt.

Szenenwechsel in das sonnige Zagreb, durch das unlängst der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit mit seinem Zagreber Gastgeber Milan Bandic flanierte. „Arbeitet hier überhaupt jemand?“, entfuhr es dem Berliner wohl spontan und daher sehr undiplomatisch, als er durch die Innenstadt ging. Wie üblich waren die Kaffeehäuser zur Arbeitszeit brechend voll.


Ein Volk von Arbeitsverweigern?

Eine Zeitlang war Wowereit das Gesprächsthema Nummer eins beim Kaffeetrinken, versteht sich. Die Lager teilten sich auf zwischen: „Wowereit hat Recht“ und „Wowereit versteht uns nicht“. Die einen meinen, dass in Kroatien gerade im Cafe wichtige Geschäfte geschlossen werden, oder, dass die Arbeitslosigkeit so hoch sei, dass man nicht anders könne, als unter die Leute.

Die anderen finden, dass ihre Landsleute tatsächlich Arbeitsverweigerer sind – Angestellte in staatlichen Firmen, denen es viel zu gut gehe. Diese Debatte kann ruhig im Kaffeehaus stattfinden – die wichtige Diskussion, jene um die Schaffung von Arbeitsplätzen, Erleichterungen für Investoren und Maßnahmen für junge Arbeitslose von mir aus auch – aber diese bitte mit schnellen Ergebnissen.


Weitere Artikel