Ungarn

Etappensieg für Klubradio

Andras Arato hat die Sektflaschen aus dem Kühlschrank geholt. Zusammen mit seinen rund hundert Mitarbeitern feiert er einen wichtigen Sieg für seinen Sender. Die gute Nachricht kam am 14. März, kurz vor dem Nationalfeiertag, als sich viele Ungarn bereits auf den Weg ins schneereiche lange Wochenende verabschiedet hatten. Die Medienbehörde in Budapest veröffentlichte ein paar Stunden vor Feierabend eine knappe Pressemitteilung, die zwischen den Nachrichten über die Proteste gegen die autoritäre Verfassungsänderung und dem Schneechaos unterging. Darin erkennt der regierungsnahe Medienrat endlich an, dass Klubradio, mittlerweile ein Symbol des ungarischen Kampfes für die Pressefreiheit, die ihm rechtlich seit zwei Jahren zustehende Frequenz langfristig nutzen darf.

In den schlichten Räumen des Senders machte sich nach der kurzen Meldung der Medienbehörde Jubel breit. Auch eine Woche danach herrscht noch feierliche Stimmung unter den Mitarbeitern, ab und an wird in der Redaktion laute Musik gespielt. „Für uns bedeutet das endlich ein bisschen Rechtssicherheit und hoffentlich bald wesentlich höhere Werbeeinnahmen“, sagt Geschäftsführer Arato, der vor zwölf Jahren den Sender gründete. „Damals wie heute hieß der Ministerpräsident Viktor Orban und ich hatte die Idee, eine Marktlücke zu füllen und eine anspruchsvolle, unabhängige und kritische Rundfunkinstitution aufzubauen.“ 


Kritische Berichterstattung als „größte Sünde“

Es war eine gute Idee. In den ersten zehn Jahren etablierte sich Klubradio als der beliebteste Sender der gebildeten Mittelschicht mit Stammzuhörern aus studentischem und intellektuellem Milieu, vor allem in Budapest. „Obwohl die meisten Redakteure und Kommentatoren, ähnlich wie ihre Zielgruppe, eher eine linksliberale Prägung haben, behielten sie unter der ehemaligen von den Sozialisten geführten Regierung eine kritische Distanz zu den Machthabern“, sagt der Soziologe Janos Ladanyi.

Nach den Wahlen vor drei Jahren, bei denen Viktor Orbans rechtspopulistische Partei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit im Parlament gewonnen hatte, brachen schwere Zeiten für den Sender an. Das neue, umstrittene Mediengesetz schuf eine Aufsichtsbehörde, die ausschließlich von Anhängern der Regierung geführt wird und über eine beinahe uneingeschränkte Macht verfügt. „Auf Unabhängigkeit und kritische Berichterstattung zu bestehen, ist in den Augen der Medienbehörde die größte Sünde“, stellt Geschäftsführer Arato fest. Von 13 regionalen Frequenzen verlor Klubradio zwölf, der monatliche Umsatz schrumpfte von rund 130.000 auf 10.000 Euro.

Als die Hauptfrequenz des Senders 2011 neu ausgeschrieben werden musste, änderte die Medienbehörde die Kriterien für die Vergabe. So verlangten die Fidesz-nahen Beamten, dass über die Hälfte der Sendezeit mit Musik gefüllt werden muss. Eine Bedingung, die Klubradio, das auf Talkshows und Nachrichtenprogramme spezialisiert ist, kaum erfüllen konnte. „Wir haben uns trotzdem beworben und haben einen tragbaren Kompromiss gesucht“, erzählt Andras Arato. Es folgte eine lange juristische Odyssee. Die Medienbehörde erklärte einen anderen Bewerber zum Gewinner, Klubradio zog vor Gericht und gewann, die Beamten weigerten sich unter diversen Vorwänden, den Richterspruch umzusetzen. Erst jetzt, nach zwei Jahren, blieb den Fidesz-Funktionären kein Ausweg mehr übrig.


Die institutionelle Basis schrumpft

„Während des Rechtsstreits wurde unsere Sendelizenz vorläufig jeweils um 60 Tage verlängert, oft erst einen Tag vor Ablauf. Es ist klar, dass unter diesen Umständen kein Werbevertrag zustande kommen kann“, stellt der Geschäftsführer fest. Von staatlichen Werbeaufträgen, etwa für Unternehmen der öffentlichen Hand, kann bei Klubradio seit Langem keine Rede mehr sein: Bei der Vergabe werden systematisch rechtskonservative, religiöse oder andere regierungsnahe Sender bevorzugt. „Auch Privatunternehmen weigern sich immer häufiger, bei uns zu werben, sie fürchten, keine Aufträge mehr von staatlichen Stellen oder Kommunalbehörden zu bekommen“, erklärt Arato.

Klubradio bemüht sich um kritische Berichterstattung in einem politischen und gesellschaftlichen Kontext, der von einer „sanften Zensur und einem ständigen Druck der Regierung“ geprägt ist, wie Peter Juhasz von der Initiative „Eine Million für die ungarische Pressefreiheit“ sagt. „Sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens werden auf rechtskonservativ getrimmt“, stellt er fest. Julia Varadi, die jahrzehntelang beim öffentlich-rechtlichen ungarischen Rundfunk tätig war, hat heute mehrere bekannte Kultursendungen bei Klubradio. Sie bestätigt die gleiche Tendenz auch bei den wichtigen Kulturinstitutionen. „Wir bekommen immer häufiger Absagen von Vertretern des Establishments. Während es in Ungarn nach wie vor unabhängige Kulturschaffende gibt, die keine Angst haben, die Regierung zu kritisieren, verschwindet sowohl im Kultur- als auch im Medienbereich die institutionelle Basis, die alles unterstützt und möglich macht“.


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