Kroatien

Kroatisches Tagebuch: Jammern ohne Ende

Alle jammern. Die Unternehmer, die Investoren, die Bevölkerung. Sogar der Präsident. Präsident Ivo Josipovic jammerte ein wenig über das Jammern und erntete gleich Kritik: Er sagte, dass die Leute lieber jammerten, anstatt anzupacken. Entrüstet wurde er gefragt, ob es denn die Lage im Land so abwegig mache, zu jammern und ob 370.000 Arbeitslose sich fröhlich einen pfeifen sollen?



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Vor kurzem saß ich mit einer Freundin bei einem gepflegten kroatischen Bier. Die sagte, die kroatischen Postbeamten hätten sie fast zum Weinen gebracht. Sie hatte ein Päckchen mit Büchern aus dem Ausland erhalten und musste zum Postamt. Das Päckchen war aufgerissen und Import-Gebühren standen an. Man ließ sie warten und war äußerst unhöflich. Für eine Gratis-Büchersendung zahlte sie so viel, wie wenn sie das Buch gekauft hätte. Miese Behandlung – sie sprach von Schikane - inklusive.

Von ungemütlichen Beamten sprechen auch viele Investoren in Kroatien. Sie meinen, gute Projekte zu haben, Arbeitsplätze für das wirtschaftlich schwer angeschlagene Kroatien zu schaffen und auch selbst etwas dabei zu gewinnen. Doch das gönnten ihnen die Kroaten nicht. „Wissen Sie, die Kroaten lassen sich nicht gerne befehlen“, sagte jüngst der umstrittene Bürgermeister der Hafenstadt Split zu einer skandinavischen Diplomatin, als diese von Investitionen sprach. Dabei stimmt das natürlich begrenzt: Ausländische Konzerne schneiden in Umfragen immer als die beliebtesten Arbeitgeber ab. Investoren aus dem In- und Ausland, die auf ehrlichem Weg ihre Ziele erreichen wollen, scheitern jedoch oftmals an unwilligen und unproduktiven Beamten.

„Kroaten machen nur etwas, wenn sie dazu gezwungen werden“, erklärte mir ein Uni-Professor, den ich zu Kroatiens Fortschritten Richtung EU befragt habe. Da könnte etwas dran sein. Der längste Beitrittsprozess der EU-Geschichte belegt diese Theorie. Es gibt aber genügend Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Viele Kroaten sehen auch, dass es Zeit ist, etwas zu unternehmen. An die sollte man sich halten, finde ich, und viel über sie reden


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