Tschechien

Krachendes Ende der Ära Klaus

Vaclav Klaus hatte zum Abschied auf der Prager Burg noch einmal 800 Freunde um sich geschart. Er dankte ihnen, dass sie gekommen waren. Etliche hatten abgesagt, weil sie Klaus nicht mehr als ihren Präsidenten sehen. Der prominente zeitgenössische Maler Pavel Brazda beispielsweise gab Anfang der Woche einen Orden an Klaus zurück. Brazda begründete das mit Klaus‘ Attacken gegen seinen Vorgänger Vaclav Havel, seiner negativen Einstellung zur EU und seiner zu großen Vertrautheit mit Russland.

So richtig verhagelt hat Klaus den Abgang aber die Klage vor dem Verfassungsgericht wegen Hochverrats. Der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, wirft ihm vor, er habe seine Vollmachten überschritten. Klaus habe EU-Verträge wie den Lissabon-Vertrag nicht unterzeichnet und Richter nicht oder zu spät ernannt. Die Senatoren nehmen ihm aber vor allem übel, dass Klaus im vergangenen Januar eine großflächige Amnestie erlassen und damit etliche Verfahren gegen Wirtschaftskriminelle gestoppt hat. Kriminelle, die vom System Klaus profitiert und sich bereichert hätten, und die jetzt auch noch begnadigt worden seien. „Ich hätte es leichter, wenn ich diese Amnestie nicht erlassen hätte“, gab Klaus in einem Interview zu. Er ging aber nicht so weit, sie als Fehler zu bezeichnen. Sollte das Gericht Klaus verurteilen, verlöre er den Anspruch auf seine Pension. Das würde aus ihm keinen armen Mann machen. Klaus aber fühlt sich in seinem Ego getroffen, was für ihn immer das Schlimmste war.


Fast den größten wirtschaftlichen Erfolg verhindert

Sein Ego brachte ihn dazu, in einem Interview die Zeit seit 1989 auf seinen politischen Kampf gegen den verstorbenen Ex-Präsidenten Vaclav Havel zu reduzieren. Er hat damit das Gegenteil von dem erreicht, was seine Aufgabe gewesen wäre: das Volk zu einen. Seit dem Erlass der Amnestie im Januar stehen nur noch 27 Prozent der Tschechen hinter ihm. Das ist der absolute Tiefpunkt.
Im Getöse um die Amnestie und die Klage der Senatoren drohen Klaus‘ Verdienste jedoch unterzugehen. Es war Klaus, der den verträumten Dissidenten anbot, die Wirtschaft des Landes umzukrempeln. Er hat die Tschechen zu marktwirtschaftlichem Denken ermutigt und die heruntergewirtschafteten Betriebe privatisiert. Er hat mit der Gründung seiner Bürgerpartei ODS einen Grundstein für eine parlamentarische Demokratie gelegt. 1993 sorgte er dafür, dass die Trennung von der Slowakei friedlich verlief, ohne Blutvergießen wie in Jugoslawien.

Klaus gehörte zudem zu den wenigen europäischen Staatsmännern, die Widerworte gegen absurde Diktate aus Brüssel wagten. Seine Kritik schoss freilich häufig über das Ziel hinaus. Klaus wurde am Ende in der EU nur noch belächelt. Dabei müssten beispielweise die Väter des Euro einräumen, dass Klaus mit seinen Warnungen am Ende so falsch nicht gelegen hat.
Obwohl ihm klar war, dass die Tschechen nicht die Kraft hatten, ihre Staatsfirmen zu kaufen, wehrte Klaus sich gegen ausländisches, namentlich deutsches Kapital. Um ein Haar wäre so die größte Erfolgsgeschichte – das Zusammengehen von Volkswagen und Skoda – nicht zustande gekommen. 


Ein politisches Comeback auf europäischem Parkett?

Deutschland sei dabei, mit seiner Wirtschaftskraft das zu erreichen, was Hitler mit Panzern nicht gelungen sei, klagte er. Hinter jeder Ecke witterte er revanchistische Vorstöße, um die Nachkriegsordnung mit den Benes-Dekreten zu kippen. Jugendliche, die die Großelterngeneration fragen, wie sie sich im Krieg und später bei der Vertreibung verhalten haben, sind ihm suspekt.
Im Wahlkampf im Januar stemmte sich Klaus gegen die Wahl des populären Karel Schwarzenberg, weil dieser kein „richtiger“ Tscheche sei, kein „Patriot“. Und schließlich sei Schwarzenberg ein Mann Havels gewesen. Havel, so Klaus, sei ein extremer Linker gewesen, der eine Art Jakobiner-Herrschaft in Prag eingeführt hätte.

Klaus will sich nun in seinen Prager Think Tank zurückziehen. Seine Vertrauten sähen ihn gern in Brüssel oder Straßburg, „um die EU von innen aufzumischen“. Andere halten es für möglich, dass er eine neue national-konservative Partei gründen könnte. Die Klage des Senats gegen Klaus soll verhindern, dass Klaus ein politisches Comeback starten, am Ende sich gar nochmal als Präsident versuchen könnte. Der Politologe Jiri Pehe schließt eine Rückkehr jedoch aus. Klaus habe im Volk keine Basis mehr. „Er hat sich selbst genug diskreditiert.“


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