Kungelei zwischen Mächtigen und Medien
Viele rumänische Medien und Politiker haben ein besonderes Verhältnis: Fernseh- und Radiosender unterstützen Parteien, Regierungschefs und Minister. Im Gegenzug dürfen sie in der Politik mitmischen – und erhalten mitunter sogar Ministerposten. Die Kungelei zwischen Medien und Mächtigen kritisiert nun sogar die Europäische Kommission in ihrem jüngsten Bericht über die Lage der rumänischen Justiz. Der Bericht fließt in manchen EU-Ländern in die Entscheidung mit ein, ob Rumänien im März dem grenzfreien Schengenraum beitreten darf.
Die Kommission bemängelt, rumänische Zeitungen und Fernsehsender ließen sich von ihren Inhabern instrumentalisieren, sie betrieben gezielte Diskreditierungs- und Einschüchterungskampagnen gegen prominente Richter oder Staatsanwälte. Dies beeinträchtige die Unabhängigkeit der Justiz. Es müsse eine bessere Kontrolle der Medien her.
Jeder in Bukarest weiß, wer gemeint ist
Die Kommission nennt die Fälle nicht namentlich. Doch jeder in Bukarest weiß, wer gemeint ist. Es geht vor allem um den Nachrichtensender Antena 3. Dieser gehört dem zwielichtigen Geschäftsmann und Politiker Dan Voiculescu und dessen Mediengruppe „Intact“. Voiculescu unterstützt die regierende Sozialliberale Union (USL) von Ministerpräsident Victor Ponta. Im Gegenzug hat Voiculescus kleine „Konservative Partei“ (PC) in den vergangenen Jahren bei jeder Regierungsbildung eine Schlüsselrolle gespielt. Zwar ist sie noch nie auf eigene Faust ins Parlament eingezogen. Doch allen großen Parteien waren Voiculescus Kampagnen so wichtig, dass sie dessen Kandidaten Plätze auf den Wahllisten und sogar Ministerposten zuschanzten. Pontas Landwirtschaftsminister Daniel Constantin ist beispielsweise PC-Vorsitzender.
Gegen Pontas Gegner, allen voran Staatspräsident Traian Basescu, führt die Mediengruppe „Intact“ bis heute eine Schmutzkampagne. Täglich berichtet der Sender Antena 3 über angebliche Korruptionsskandale im Umfeld Basescus. Die raren Interviews mit Basescus Anhängern ähneln Verhören, USL-Vertreter bekommen dagegen praktisch unbegrenzte Sendezeit.
Seit Voiculescu vor einigen Monaten in einem Korruptionsskandal angeklagt wurde, versucht Antena 3 nun außerdem, die Richter und Staatsanwälte zu diskreditieren.
Staatspräsident Basescu spottet seit Jahren über den „Medien-Mogul“ und seine „Fernsehpartei“. Doch auch er koalierte 2004 mit Voiculescus Leuten, weil er nur so eine Mehrheit im Parlament bekommen konnte. Prompt hörte Antena 3 mit der Kritik an Basescu auf und attackierte die Sozialdemokraten. Heute ist es ein anderer Sender, B1 TV, der als präsidialer Kanal gilt und verhörähnliche Interviews mit USL-Vertretern führt.
Ministerpräsident Ponta zeigte sich vorige Woche überrascht, dass sich die EU-Kommission in einem Justizbericht mit der Regulierung der Medien beschäftigt. Er sehe keinen Handlungsbedarf. „Wir werden kein neues Pressegesetz schreiben“, erklärte er. Antena 3 thematisierte tagelang den „missbräuchlichen Bericht“ der Kommission und kritisierte Pontas „schwache“ Reaktion. Staatspräsident Basescu beteuerte wenig überraschend, dass er die Kritik der Kommission gerechtfertigt finde.
Ein extremes Beispiel - aber leider nicht das einzige
„Sowohl Ponta als auch Basescu ist klar, dass Voiculescus Medienkonzern keinen Journalismus und seine Partei keine Politik betreibt“, stellt der bekannte Bukarester Publizist und Medienkritiker Costi Rogozanu fest. „Beide Felder dienen lediglich privaten und geschäftlichen Interessen des Inhabers. Das ist ein extremes Beispiel, aber leider nicht das einzige.“
Auch der schillernde Fernsehmoderator Dan Diaconescu mischte mit seinem Sender OTV jahrelang in der Politik mit – in der Hoffnung, mit seiner neugegründeten Partei ins Parlament einzuziehen. Die Rechnung ging jedoch nur halbwegs auf: Die populistische „Volkspartei Dan Diaconescu“ (PPDD) bekam im vergangenen Dezember zwar erstaunliche 14 Prozent bei der Parlamentswahl. Allerdings ging Diaconescu selber leer aus. Der Fernsehmoderator hatte öffentlichkeitswirksam in Victor Pontas Wahlkreis kandidiert, wo er kein Mandat erhielt. Weil OTV seine angehäuften Geldstrafen für Verstöße gegen die Grundnormen der Berichterstattung nicht zahlte, entzog ihm die rumänische Fernsehaufsichtsbehörde CNA vor kurzem die Sendelizenz.
„Dass Medienkonzerne sich auflösen, wenn ihr Inhaber eine politische Niederlage einsteckt, ist nur logisch. Keines dieser Unternehmen hat je Gewinn gemacht. Grundlage dieser Geschäfte ist, dass die Medien und die Parteien als reine Vehikel für die Interessen der Inhaber funktionieren“, erklärt Sorana Stanescu, die für den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVR arbeitet. „Bei uns ist die Situation etwas besser als bei den Privatsendern, wo der Eigentümer direkten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen kann.“
Der Medienkritiker Costi Rogozanu sieht nicht nur ein moralisches oder juristisches Problem, sonder eher ein strukturelles: „Letztlich geht es um die Arbeitsbedingungen von Journalisten.“ Weil der rumänische Staat drastisch sparen muss, habe er die ohnehin sehr beschränkten Rechte der Arbeitnehmer immer weiter beschnitten. In der Praxis könne sich beispielsweise niemand vor einer Kündigung schützen. Viele Journalisten hätten zudem noch vor der Wirtschaftskrise Hypotheken oder andere Kredite aufgenommen, meint Rogozanu. „Die EU-Kommission muss sich also nicht wundern, wenn die rumänischen Journalisten dem Druck ihrer Medieninhaber nachgeben und mitmachen“, so Rogozanu.