Der planlose Musterschüler
Slowenien ist derzeit von einer Welle zivilen Ungehorsams erfasst, die dem kleinen Land mit der gemütlichen, barocken Hauptstadt kaum jemand zugetraut hätte. Jahre lang gelangte kaum eine Nachricht aus dem gerade einmal zwei Millionen Einwohner fassenden Staat nach draußen – geschweige denn eine schlechte. Das hat sich seit der Schuldenkrise gründlich geändert.
Seit Wochen demonstrieren in den wichtigsten Städten des Landes tausende Menschen, und teilweise gewaltsam. 100.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes beteiligten sich am Mittwoch an einem Proteststreik, Schulen, Kindergärten und Universitäten blieben geschlossen.
Es geht nicht nur um Korruption
Vordergründig geht es bei den Protesten um den Ärger über allzu eigenmächtig agierende Lokalpolitiker und den konservativen Regierungschef Janez Jansa. Dieser muss sich mit Korruptionsvorwürfen auseinandersetzen, weil er einen Teil seines Vermögens verschwiegen hatte und nun dessen Herkunft nicht plausibel erklären kann.
Tatsächlich haben die Proteste von immerhin fünf Prozent der Bevölkerung jedoch ganz andere Ursachen: Die Slowenen wollen oder können die Härte des Sparkurses ihrer Regierung offensichtlich nicht mehr ertragen. Die im Februar 2012 angetretene und nun zerbrochene Fünf-Parteien-Koalition hatte alles daran gesetzt, das Budgetdefizit von zuletzt 4,2 Prozent auf 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukt zu senken, wie in den Verträgen der Europäischen Union gefordert. Zusätzlich wurde eine Rentenreform verabschiedet. Um drei Prozent wurden die Gehälter der Staatsbediensteten im vergangenen Jahr gekürzt, Pläne der Regierung sehen nun eine weitere Kürzung um fünf Prozent im laufenden Jahr vor. Zudem hat sie Entlassungen angekündigt und plant, das Kündigungsrecht zu lockern.
Ganzer Berg fauler Kredite
Dabei schien für Slowenien seit dem Beitritt zur EU im Jahre 2004 und besonders seit der Übernahme des Euro 2007 alles glatt zu laufen. Das Land konnte wettbewerbsfähige Industrie vorweisen: Kühlgeräte und Waschmaschinen von Gorenje und die Renaults der Automobilwerke von Revoz waren Jahre lang Garanten von kräftigen Exporterlösen. Doch seit der Rezession von 2009 hat sich die Situation völlig verändert: Gorenje schwächelt und der Automobilabsatz ist im Land und in den Exportmärkten drastisch zurück gegangen.
Hinzu kommt eine Bankenkrise. Die Geldinstitute sitzen auf einem Berg fauler Kredite, deren Buchwert nach Schätzungen bis zu einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Die Verpflichtungen stammen vor allem aus den Jahren 2005 bis 2007, als die slowenischen Banken riskante Immobiliengeschäfte und Unternehmensübernahmen finanzierten. Als die Kapitalmärkte 2008 plötzlich austrockneten, gingen viele der Firmen pleite und die Banken blieben auf ihren Forderungen sitzen.
„Es fehlt ein Plan für die Zukunft“
Für viele Beobachter ist die Krise eine Folge dessen, dass das Land nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien sich nicht klar für die Marktwirtschaft entschieden hat. Stattdessen hat sich bis heute eine enge Verbindung von staatlichen Banken, Großunternehmen und Staat erhalten. Man agiert kooperativ, wenig transparent, zum Schaden des Wettbewerbs.
„Wir hatten eine Vision, als wir aus dem zerfallenden Jugoslawien heraus kamen“, schreibt der bekannte Kommentator Tilen Majnardi. „Dann dachten wir, Europa kümmert sich um uns. Heute hat das Land keinen glaubwürdigen und verständlichen Plan für die Zukunft.“
Schon im Sommer 2012 hatte es Spekulationen gegeben, das Land müsste unter den Euro-Rettungsschirm. Mit ihrer harten Sparpolitik konnte die Regierung diesen Schritt bislang vermeiden, aber nun zeigt sich: Der Zusammenhalt der Koalition, in der auch reformskeptische Parteien sitzen, war nicht stark genug. Wie lange sich der Premierminister Jansa mit einer Minderheitsregierung halten kann ist nun unklar. „Die Verzögerung der Reformbemühungen könnten mittelfristig zu einem negativen Ausblick der Ratingagenturen führen“, warnen die Bank-Ökonomen von Raiffeisen Research in einem aktuellen Kommentar.