Schwarzenberg bald auf der Prager Burg?
Tschechiens früherer EU-Kommissar Vladimir Spidla meint, ein guter Analytiker und Kenner seines Landes zu sein. Doch am Samstagabend war auch er ziemlich platt: „Dass Schwarzenberg derart gut abschneiden würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.“
Spidla war nicht der einzige Experte in Tschechien, der sich mit seiner Prognose für den Ausgang der ersten Runde der Wahl des Nachfolgers für Vaclav Klaus vertan hatte. Die Tatsache, dass neben dem erklärten Favoriten Milos Zeman, dem früheren linken tschechischen Premier, auch der amtierende Außenminister Karel Schwarzenberg in die Stichwahl in zwei Wochen kommt, hat alle überrascht. Selbst Schwarzenbergs eigenen Anhänger in einem Prager Theater waren so überwältigt, dass sie ihn schon wie den kommenden Staatschef bejubelten und spontan die Nationalhymne anstimmten.
Karel Schwarzenberg: Adelsspross europäischen Zuschnitts
Wenn einer der Kandidaten für das tschechische Präsidentenamt die großartige Prager Burg kennt, dann Karel Schwarzenberg. Hier hat er mehrere Jahre als Kanzler für den ersten Nachwendepräsidenten Vaclav Havel gewirkt.
Der Spross einer berühmten böhmisch-fränkischen Adelsfamilie heißt offiziell Seine Durchlaucht Karl Johannes Nepomuk Josef Norbert Friedrich Antonius Wratislaw Mena Fürst zu Schwarzenberg, Herzog von Krumau, gefürsteter Landgraf von Sulz und im Klettgau. Da die Tschechoslowakei aber schon 1918 alle Adelstitel abgeschafft hatte, nennt er sich nur Karel Schwarzenberg. Für die Tschechen aber ist er der "Fürst".
Schwarzenberg bezeichnet sich selbst als Mitteleuropäer. Seine politische Karriere wurde möglich, weil sich seine Eltern zur tschechoslowakischen Republik bekannten. Das führte andererseits dazu, dass die Besitztümer der Familie von den NS-Besatzern beschlagnahmt wurden. Die Familie konnte wiederum die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft auch 1945 behalten, während die meisten Deutschen sie verloren und zwangsvertrieben wurden.
Ende 1948 verließ die Familie die Tschechoslowakei, nachdem dort die Kommunisten die Macht ergriffen hatten. Von Deutschland und Österreich aus unterstützte der politisch anfangs links stehende Schwarzenberg die Dissidenten in seiner alten Heimat und engagierte sich weltweit in Menschenrechtsfragen.
Nach seinem Abschied als Havel-Mitarbeiter begann er eine eigene politische Karriere, wurde Senator und 2007 entgegen ersten Bedenken von Klaus zum Außenminister ernannt. Dieses Amt bekleidet er auch derzeit. Gleichzeitig steht er der liberal-konservativen Partei TOP 09 vor, die er 2009 gegründet hat.
Schwarzenberg ist überzeugter Europäer mit glänzenden Beziehungen auch nach Übersee. Freilich ist er auch tschechischer Patriot. Eine Aufhebung der Benesch-Dekrete hat er immer abgelehnt, wenngleich er die Nachkriegsvertreibung sehr kritisch
„Ich habe schon viele Schlachten geschlagen, die am Anfang aussichtslos erschienen“, schmunzelte der „Fürst“, wie die Tschechen Schwarzenberg (75) liebevoll nennen. Der böhmische Adelsspross, der vor der Revolution von Österreich aus die Dissidenten in der Tschechoslowakei unterstützt hatte und dafür von Vaclav Havel zum Kanzler auf der Prager Burg gemacht wurde, brachte keine guten Voraussetzungen für die Wahl mit. Immerhin ist er Vizepremier der aktuellen Regierung, die im Volk wegen ihrer Sparpolitik so unbeliebt ist, wie keine zweite vor ihr. Doch die Tschechen, so ergaben die ersten Analysen, haben weniger nach Parteizugehörigkeit gewählt, sondern auf die Personen geachtet, die zur Wahl standen.
Auch sein Gegner Milos Zeman ist ein Schwergewicht
Das gilt auch für Schwarzenbergs Widersacher Milos Zeman (68). Der rhetorisch begnadete ausgefuchste Analytiker mit dem Hang zu Bonmots und zu scharfen Getränken gehörte in der jungen Geschichte Tschechiens zu den wenigen politischen Schwergewichten. Zwar ist er seit zehn Jahren nicht mehr aktiv in der Politik gewesen, doch diese Pause hat ihm eher gut getan. Angriffslustig bezeichnete er die derzeitige Politikerklasse als eine „Ansammlung von Amateuren“.
Er sei Profi, habe in seiner Zeit als Premier von 1998 bis 2002 Tschechien aus der Krise geführt. Mit dieser Argumentation hat er seinen vermeintlich schärfsten Konkurrenten bei der Wahl, den farblosen Ex-Premier Jan Fischer, alt aussehen lassen, der für die Wähler zudem ein zu unscharfes Profil zeigte.
An der Korruption krankt Tschechien bis heute
Dass Zeman am Ende mit 24,2 Prozent nur äußerst knapp vor Schwarzenberg (23,4 Prozent) einkam, verspricht einen offenen Ausgang der Stichwahl. Beide Kandidaten begannen denn auch schon ihren Wahlkampf, noch ehe alle Stimmen der ersten Runde überhaupt ausgezählt waren.
Schwarzenberg nannte Zeman einen „Mann der Vergangenheit“, damit daran erinnernd, dass der einstige Chef der Sozialdemokraten gemeinsam mit Vaclav Klaus der Korruption Tür und Tor geöffnet habe, an der Tschechien bis heute schwer krankt.
Zeman konterte mit der Bemerkung, dass Schwarzenberg ein „Mann der Gegenwart“ ist, alle Gesetze zum Nachteil der Masse der Bevölkerung mit zu verantworten habe. Zemans Linie vor der Entscheidungsschlacht ist klar: er will daraus eine Richtungswahl zwischen „links“ und „rechts“ machen. Er hofft, dass sich die Tschechen hinter ihn scharen, die frustriert sind von Steuererhöhungen und Sparprogrammen. Dabei zielt er vor allem auch auf die Stammwähler der ungewendeten Kommunisten, die von vornherein keinen eigenen Kandidaten in die Wahl geschickt hatten und die zudem Schwarzenberg mit der von ihnen ungeliebten Ära Vaclav Havels verbinden.
Das alte gegen das neue Tschechien
Schwarzenberg sieht Tschechien auch vor einer Richtungswahl, aber einer zwischen dem „alten Tschechien“ der Ära Klaus-Zeman, und einem „neuen Tschechien“, das prosperiert und wieder seinen Platz als „Kern Europas“ einnimmt.
Entscheidend dürfte sein, wie sich die Sozialdemokraten zu Zeman stellen. Zeman hatte die Partei einst groß gemacht, sich dann aber von ihr tief zerstritten getrennt. Er hat vor der ersten Wahlrunde den sozialdemokratischen Kandidaten massiv angegriffen. Die Partei fürchtet, irgendwann regieren zu dürfen, dabei aber von einem Präsidenten Zeman ständig gegängelt zu werden. Die Sozialdemokraten gaben denn auch nur eine sehr halbherzige Wahlempfehlung zugunsten Zemans ab. Der prominente Sozialdemokrat Vladimir Spidla hat bereits angekündigt, dass er nicht Zeman, sondern Schwarzenberg wählen wird. Sollte das linke Lager so uneinig bleiben, könnte der Fürst tatsächlich die Prager Burg erklimmen.