Erdrutschsieg für Ponta
Im Hauptquartier der regierenden rumänischen Sozialliberalen Union USL ist der Jubel groß, als um 21 Uhr die vorläufigen Wahlergebnisse über die Bildschirme flimmern. Doch die Sektflaschen bleiben vorerst im Kühlschrank. „Ich danke euch für eure Stimmen. Der Ministerpräsident Rumäniens heißt Victor Ponta!”, ruft der Parteivorsitzende und Senatspräsident Crin Antonescu. Dann fügt er hinzu: „Ich hoffe, dass Staatspräsident Basescu vernünftig ist und das Wahlergebnis respektiert.”
Fast 60 Prozent der Wähler haben bei der Parlamentswahl am Sonntag der USL von Premier Victor Ponta ihre Stimmen gegeben und damit der Regierungspartei zu einem Erdrutschsieg verholfen. Das wirtschaftsliberale Lager um Staatspräsident Basescu und seine Partei PDL erhielt dagegen gerade einmal 19 Prozent und lag knapp vor den 14 Prozent der populistischen „Volkspartei Dan Diaconescu” (PPDD) des gleichnamigen Fernsehmoderators.
Präsident Basescu will Viktor Ponta nicht zum Premier ernennen
Dennoch ist unsicher, ob Basescu wie von der Verfassung vorgesehen Ponta zum Regierungschef ernennen wird. Bereits vor der Wahl hatte Rumäniens Präsident angekündigt, die Ernennung seines Rivalen zu verweigern. Premier und Präsident liefern sich seit Monaten einen Machtkampf. Erst im Sommer hatte Ponta in einem umstrittenen Verfahren versucht, Basescu abzusetzen. Pontas Regierungsbündnis spielt deshalb unterschiedliche Szenarien durch. „Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsident Barroso müssen Basescu ermahnen, dass die demokratischen Regeln auch für ihn gelten”, kommentiert ein USL-Genosse.
Fest steht: Die überwiegende Mehrheit der Rumänen erhofft sich nach Monaten politischer Krise wieder Stabilität. Und sie hat Basescu und seinem drastischen Sparkurs eine klare Absage erteilt, den der Präsident seit Ausbruch der Finanzkrise seinem Land im Gegenzug für einen IWF-Kredit verordnete. Bereits im Sommer bei dem Referendum über Basescus Amtsenthebung stimmten 86 Prozent für die frühzeitige Absetzung des Präsidenten. Dennoch scheiterte damals das Verfahren, weil nur 46 Prozent der Stimmenberechtigten zu den Urnen gingen. Die jetzige Wahlbeteiligung war trotz des Wintereinbruchs mit Eis und Schnee mit rund 41 Prozent immerhin besser als bei den letzten Wahlen im Jahr 2008.
Angela Merkel und IWF sind den Rumänen egal
„Die Mehrheit hat genug von der neoliberalen Agenda der letzten Jahre. Wir wollen keine Privatisierung des Gesundheitssystems, keine weiteren Verkäufe von Energieunternehmen, keine Lockerung des Kündigungsschutzes. Den Rumänen ist egal, dass der IWF und Kanzlerin Merkel Maßnahmen, die in Deutschland unvorstellbar wären, hier und in anderen Ländern Süd- und Osteuropas durchsetzen wollen”, brachte der bekannte Publizist und Blogger Costi Rogozanu die Stimmung auf den Punkt.
Ob die USL eine echte Alternative zum bisherigen Sparkurs bieten kann, ist allerdings fraglich. Ponta hat bereits etliche Kompromisse akzeptiert, um möglichst Wähler in den strukturstärkeren Großstädten für sich zu gewinnen. Er wird deshalb beispielsweise an der 16-prozentigen Niedrigsteuer auf Einkommen und Unternehmensgewinne festhalten. Das Linksbündnis konnte erstmals auch alle Wahlkreise der Hauptstadt Bukarest erobern. Damit verliert das bürgerliche Lager erstmals seit 20 Jahren seine Hochburg. Die wohlhabende Bukarester Mittelschicht, die von Basescus Steuersenkungen am meisten profitierte, hat sich nicht durchgesetzt.
Verhaltene Sieger erwarten Konflikt
„Heute feiern wir nur einen ersten Sieg”, sagt der 34-jährige Menschenrechtsaktivist Cristian Branea, der schon an den großflächigen Protesten gegen den Sparkurs Anfang des Jahres teilnahm. „In Rumänien setzt sich eine neue Generation durch. Wir sind für mehr Solidarität, für Umweltschutz und gegen den herrschenden Raubtierkapitalismus.”
Doch zunächst stehen die Zeichen auf Konflikt. Wenn Basescu die Ernennung Victor Pontas tatsächlich verweigert, ist wochenlanger Streit programmiert. Das Szenario wäre nicht neu. Schon 2004 und 2009 hatte Basescu die jeweils vorhandene, obgleich fragile Parlamentsmehrheit ignoriert, einen Premier aus dem eigenen Lager ernannt und eine Regierungsmehrheit nach eigenem Belieben geschmiedet.
Die USL befürchtet, dass sich diese Situation wiederholen könnte, zumal viele Hinterbänkler alle vier Jahre das Fähnchen nach dem Wind drehen und das Lager wechseln. Der USL-Vorsitzende Crin Antonescu drohte Basescu mit einem sofortigen Amtsenthebungsverfahrens, sollte er diesmal wieder tricksen.