Slowenien

Vom EU-Musterknaben zum Problemfall

Wer wissen will, wie die Slowenen über die wirtschaftliche Lage ihres Landes denken, der sollte sich am besten auf einem ihrer Märkte umhören. Im pittoresken Zentrum der Hauptstadt Ljubljana ist bis auf Sonntag jeden Tag Markttag, auch in der kalten Jahreszeit. Doch das Geschäft läuft nicht gut, und das liegt nicht nur am Wetter, vermutet Blumenverkäuferin Darja. „Es kommen kaum noch Kunden. Das muss an der Eurokrise liegen“, sagt sie.

Darjas Vermutung spiegelt die Gemütslage vieler Slowenen wider. In dem kleinen Staat zwischen Alpen und Adria sorgen sich die Menschen. Vor den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag haben viele „Angst vor griechischen Verhältnissen“, wie es ein Passant ausdrückt. Es ist eine diffuse Angst. Denn eigentlich kann sich kaum jemand erklären, warum das Land auf einmal ein Euro-Sorgenkind sein soll. Schließlich galt Slowenien lange als Musterschüler, trat 2007 als erstes osteuropäisches EU-Mitglied in die Eurozone ein.

„Wir waren der Champion und haben uns lange Zeit zu sicher gefühlt“, sagt Peter Frankl, Chefredakteur der angesehenen slowenischen Business-Zeitung „Finance“. Auf dem Schreibtisch des Journalisten türmen sich Bücher und Papiere, es gibt viel zu berichten in diesen Tagen. Die europäische Schuldenkrise scheint Slowenien kalt erwischt zu haben. Eigentlich kämpft das Land aber schon seit 2008 mit wirtschaftlichen Problemen.

Weil es seit der internationalen Finanzkrise keine billigen Kredite aus Deutschland und Österreich mehr gibt, haben zahlreiche slowenische Unternehmen massive Probleme. Die Banken schreiben rote Zahlen, dazu kommen Probleme wie Vetternwirtschaft und Korruption. Seitdem Slowenien die großen Wachstumsraten verloren gegangen sind, sind die Kosten der Sozialsysteme nicht mehr tragbar.

Die Folge: In den vergangenen drei Jahren haben sich die slowenischen Staatsschulden auf 43 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verdoppelt. Die Ratingagentur Standard & Poor‘s stufte daraufhin im Oktober das Rating von Slowenien von AA auf AA- herab. Nach einer Prognose der EU-Kommission wird Slowenien bis 2012 sogar das Euro-Land mit dem stärksten Schuldenanstieg sein.

Derzeit muss das 2-Millionen-Einwohner-Land so hohe Zinsen auf Staatsanleihen zahlen wie noch nie seit seinem Beitritt zur Eurozone vor mittlerweile fast fünf Jahren. Slowenien kommt damit dem Hoch-Zins-Strudel gefährlich nahe. Mehrmals in den vergangenen Wochen wurde die nicht nur psychologisch wichtige 7-Prozent-Marke überschritten. Irland und Portugal mussten bei diesem Wert unter den Euro-Rettungsschirm flüchten.

Die Politiker versuchen zu beschwichtigen. Kein Grund zur Panik, meint der scheidende Finanzminister Franc Krizanic, sein Land verfüge über gute finanzielle Ressourcen. Auch Fachjournalist Peter Frankl relativiert: So besorgniserregend Schulden- und Zinsanstieg auch sein mögen, man dürfe nicht übersehen, dass die slowenische Schuldenlast im Vergleich zu seinen Nachbarn immer noch gering sei. Andere EU-Staaten würden von solch einer Zahl nur träumen, allen voran Nachbar Italien, nach Deutschland Sloweniens zweitwichtigster Handelspartner.

Die hohen Zinsen auf slowenische Staatsanleihen sind aber auch den Strukturproblemen Sloweniens geschuldet. So bemühte sich die Regierung vergebens, das Rentenalter von derzeit 57 Jahren bei Frauen und 58 Jahren bei Männern schrittweise auf 65 Jahre zu erhöhen. Ein Referendum über die dringend notwendige Rentenreform scheiterte im Juni, die sozialdemokratische Minderheitsregierung zerbrach kurz darauf.

Die Lage in Slowenien sei derzeit „vergleichbar mit dem Dilemma der gesamten Eurozone“, sagt Vasja Rant, Wirtschaftsprofessor an der Universität Ljubljana. Es gebe strukturelle Probleme, für die die Entscheidungsträger keine adäquaten Lösungen parat hätten. Das verunsichere die Märkte, was wiederum die Probleme der Entscheidungsträger vergrößere.

Ratingagenturen und Fachleute erhoffen sich, dass die neue Regierung nach den Wahlen am 4. Dezember ein Klima schafft, in dem sich sowohl der slowenische Staatshaushalt, als auch die einst so boomende slowenische Wirtschaft wieder erholen können.

Die Slowenen, da sind sich die meisten Experten einig, seien eigentlich reformwillig. Sie hätten nur zuletzt das Vertrauen in die slowenische Politik verloren. Das haben sie mit den internationalen Finanzmärkten gemeinsam.


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