Attacke auf deutsche Minderheit
Arkadiusz Szymanski fühlt sich bedroht. „Überall sieht man deutsche Namen. Wenn die separatistischen Forderungen der schlesischen Autonomiebewegung RAS hinzunimmt, kann man Angst bekommen. Wir müssen zeigen, dass dies hier nicht Deutschland ist“, sagt der Generalsekretär der nationalkonservativen Partei PIS im südpolnischen Opole (Oppeln). Um ihrer Existenzangst Ausdruck zu verleihen, planen Szymanski und seine Mitstreiter in der PIS für das kommende Jahr eine Großdemonstration in Schlesien. Motto: „Hier ist Polen!“
Kaczynski lädt Rechtsextreme zu Aufmarsch ein
Der Vorstoß sorgt seit Tagen für Wirbel in Polen. Er geht auf ein PIS-Treffen in Warschau zurück. „Wenn wir nichts gegen die Deutschen und die Separatisten in Schlesien tun, entsteht dort ein zweites Kosovo oder es entwickelt sich ein Terror wie im Baskenland“, lautete das Fazit der Debatte. Schnell war die Idee eines Protestmarsches geboren, der im Januar oder spätestens im Frühjahr stattfinden soll.
Die deutsche Minderheit in Polen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb trotz Flucht und Vertreibung rund eine Million Deutscher in Polen, insbesondere in Schlesien. Das kommunistische Regime verleugnete die Existenz dieser Bevölkerungsgruppe und zwang viele Deutsche zur Ausreise oder Assimilation. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges erhielten die verbliebenen rund 300.000 Deutschen alle Rechte einer nationalen Minderheit.
Die deutsche Sprache wird gefördert, und die Minderheit verfügt über eine politische Sonderstellung. Ihr Wahlkomitee ist von der Fünf-Prozent-Klausel befreit. Anfangs war die Minderheit mit sieben Abgeordneten im polnischen Parlament vertreten. Inzwischen ist es nur noch ein Sitz. Zugleich altert und schrumpft die deutsche Bevölkerung in Schlesien.
Bei der Volkszählung 2011 gaben nur noch 109.000 Personen als Nationalität „deutsch“ an. 2002 waren es noch 153.000. Mehr als 800.000 Menschen bezeichneten sich dagegen im Sinne der Autonomiebewegung RAS als Schlesier.
Doch damit nicht genug. Die PIS, deren Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski als antideutscher Scharfmacher gilt, lud wenig später die neofaschistische Bewegung Nationalradikales Lager (ONR) zur Teilnahme an dem Aufmarsch ein. Die gewaltbereiten Rechtsextremisten hatten sich zuletzt am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Droht in Schlesien also im neuen Jahr eine offene Konfrontation?
Bei Vertretern der deutschen Minderheit wächst die Furcht. Die Vergleiche mit dem Kosovo und der baskischen ETA ließen nichts Gutes erahnen, erklärt der Vorsitzende der Minderheit im Oppelner Land, Norbert Rasch und fügt hinzu: „Wir sind es leid, immer wieder zu betonen, was wir alles für diese Region getan haben. Gehen diese Leute, die alles Deutsche fürchten, etwa nicht in die Kirchen und Krankenhäuser, die wir gebaut haben?“
Schlesische Autonomiebewegung wird immer stärker
Tatsächlich dürfte es Kaczynskis PIS nur in zweiter Linie um die Deutschen in Schlesien gehen. Für eine größere Bedrohung hält Kaczynski die Autonomiebewegung RAS, die der Oppositionsführer vor Jahresfrist als „fünfte Kolonne Berlins“ bezeichnete. Die RAS gewinnt in den Wojewodschaften Schlesien, Oppeln und Niederschlesien seit Jahren an Zulauf.
Bei Kommunalwahlen erzielte die Partei teilweise zweistellige Ergebnisse und regiert in einigen Regionen mit Tusks rechtsliberaler Bürgerplattform. Doch RAS-Chef Jerzy Gorzelik will mehr. „Wir fordern politische Eigenständigkeit und kulturelle Autonomie“, erklärt er und fügt hinzu: „Wir sind weder Deutsche noch Polen, wir sind Schlesier.“ Mit dem sogenannten Wasserpolnischen gebe es zudem eine eigene Sprache.
Vergleiche mit dem Kosovo oder dem Baskenland weist Gorzelik ebenso zurück wie den Vorwurf, mit den Deutschen gemeinsame Sache zu machen. Vorbild seien vielmehr die Schweizer Kantone, sagt er. Davon jedoch will Kaczynskis PIS nichts hören. Inzwischen würden in Schlesien neben deutschen Ortsschildern auch noch wasserpolnische aufgestellt, lästerte kürzlich ein PIS-Abgeordneter und warnte ironisch: „Demnächst fehlt hier der Platz für polnische Schilder.“