Wer ist Marjana?
Frau Gaponenko, Sie schreiben seit Ihrem 16. Lebensjahr auf Deutsch. Warum nicht auf Russisch?
Sprache ist für mich Handwerk. Ob ich auf Russisch oder auf Deutsch schreibe ist für mich dabei egal.
Warum fiel die Entscheidung ausgerechnet auf die deutsche Sprache?
In der Schule hatten wir Deutsch und Englisch. Deutsch fand ich einfacher. Die meisten Buchstabenkombinationen werden so ausgesprochen wie man sie schreibt, anders als im Englischen. Dann begann ich als Übung Gedichte auf Deutsch zu schreiben und kam 2001 als Literatur-Stipendiatin ins Künstlerdorf Schöppingen bei Münster.
Marjana Gaponenko wurde 1981 in Odessa geboren und lebt seit 2006 in Deutschland. Sie studierte Germanistik in Odessa und schreibt seit Ihrem 16. Lebensjahr auf Deutsch. Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. 2010 wurde ihr erste Roman „Annuschka Blume“ im österreichischen Residenz-Verlag veröffentlicht. 2012 erschien ihr zweiter Roman „Wer ist Martha?“ bei Suhrkamp.
In Ihrem Roman beschreiben Sie die letzten Tage eines alternden Ornithologen. Warum wollten Sie ein Buch über das Alter schreiben?
Das Alter hat mich schon immer interessiert. Ich finde es wichtig, dass man sich mit dem Alter beschäftigt. Es ist jammerschade, doch wir müssen alle einmal sterben. Man sollte sich nicht täuschen lassen von glatter Haut und Jugend. Von alten Menschen kann ich auch meist mehr lernen als von den Jüngeren.
Wie stellen Sie sich persönlich das Alter vor?
Ich würde gerne genau so alt werden wie Lewadski. 96 ist irgendwie ein gutes Alter. Ich kann Menschen nicht verstehen, die noch im Alter mit den Jungen mitdiskutieren wollen. Junge Menschen müssen diskutieren, weil sie noch viel vor sich haben. Ich denke mir da bei den Älteren: Blickt auf den Apfelbaum in eurem Garten und genießt das was ihr geschaffen habt. Es wird generell zu viel geredet. Ich rede jetzt natürlich, weil das ein Interview ist.
„Wer ist Martha?“ ist eine Hommage an das Alter: Luka Lewadski, ein 96-jähriger Ornithologe und emeritierter Zoologie-Professor, beschließt nach einer Krebsdiagnose seine letzten Tage - im Gegensatz zu seinem sonst so sparsamen Lebensstil- im Luxus zu verbringen. Sein neues Domizil: das teuerste Hotel Wiens, das „Imperial”.
Luka Lewadski ist Ornithologe. Wie kamen Sie auf diesen ausgefallenen Beruf?
Ich wusste, mein Protagonist würde alt sein und gebildet. Ich wollte aber nicht, dass er zu intellektuell ist. Ein Ornithologe ist jemand, der sich stundenlang bei jedem Wetter auf die Lauer legt um Vögel zu beobachten. Eben diese Eigenschaft, Freude und Hingabe, suchte ich für meinen Protagonisten. Am Anfang hatte ich jedoch Angst, dass das Thema zu langweilig werden würde. Leute schrecken bei Vögeln ja gerne zurück.
Hatten Sie vorher denn ein ornithologisches Interesse?
Ich wusste vorher wenig über Vögel. Das Interesse hat sich dann mit dem Roman entwickelt. Heute trage ich fast zu jeder Gelegenheit ein kleines Fernglas mit mir und besitze auch eine Rotkehlchenlockpfeife. Einmal hatte ich ein interessantes Erlebnis mit einem Taxi-Fahrer. Er erzählte mir er sei Ornithologe. Das wollte ich ihm nicht so recht glauben und schraubte an meiner Lockpfeife herum um ihn zu testen. Der Mann konnte tatsächlich die Kategorie bestimmen und meinte, es handle sich wahrscheinlich um den Balzruf eines Rotkehlchens.
„Die Zeit“ schrieb, in Ihrem Roman blitze zuweilen „gogolsche Lust am Grotesken“ auf. Sehen Sie sich selbst in einer russischen Erzähltradition?
Natürlich, aber ohne es zu wollen.
Welche Schriftsteller inspirieren Sie am meisten?
Es gibt Phasen, in denen ich ganz bestimmte Schriftsteller lese. Kafka kann man meines Erachtens immer lesen. Wenn ich gerade selbst an einem Buch arbeite, vermeide ich, andere Belletristik zu lesen. Um mich nicht beeinflussen zu lassen.
Haben Sie bereits eine Idee für Ihr neues Buch?
Ich schreibe gerade an meinem dritten Roman, besser gesagt, ich recherchiere. Die Recherche dauert bei mir ungefähr ein Jahr. Danach schreibe ich den eigentlichen Roman. Ich verrate nur eins: in dem Roman wird es um Holz gehen. Mein Handwerk ist das Schreiben. Ich träume aber auch davon handwerklich tätig zu sein, wenn man bedenkt, wie viel Zeit man eigentlich mit Möbeln verbringt, die einen wahrscheinlich noch überdauern werden.